Nächster Knaller nach Wahl: ÖVP verliert in Scheibbs Bürgermeister an Rot-Grün

In der Stadt Scheibbs, deren inoffizielles Markenzeichen der Scheibbser Kaspar von maler Josef Bramer ist, stehen mit dem rotgrünen Machtwechsel turbulente politische Zeiten an
Nach dem gewaltigen politischen Erdrutsch von der absoluten Mehrheit unter die 40-Prozent-Marke bei den Gemeinderatswahlen ist die ÖVP in der Bezirkshauptstadt Scheibbs nun auch das Bürgermeisteramt los. Nach etlichen harten Verhandlungstagen steht fest, dass das Team SPÖ Scheibbs und die grünenahe Liste BUGS (Bürgerinnenliste für Umwelt und Gemeinwohl in Scheibbs) künftig mit der gemeinsamen Mehrheit von 13 zu 12 Sitzen die Stadtregierung führen werden.
Damit wird bei der konstituierenden Sitzung am 13. Februar der 34-jährige SPÖ-Spitzenkandidat David Pöcksteiner, dessen Liste von sieben auf neun Mandate (plus 9,19 Prozentpunkte) zulegte, zum neuen Bürgermeister gewählt.

SPÖ-Spitzenmann David Pöcksteiner, 34, soll Bürgermeister werden
Er löst damit die ÖVP ab, die das Amt fast schon traditionell und durchgehend seit 1945 besetzte. Für die ÖVP im Bezirk und in Niederösterreich ist eine Stadt Scheibbs unter roter Führung jedenfalls ein harter Schlag. Nach Mödling verliert die ÖVP nun die nächste Bezirksstadt an Rot-Grün.
In Scheibbs waren im vergangenen halben Jahrhundert bekannte ÖVP-Politiker, wie der frühere Österreichische Bauernbundpräsident Alois Derfler oder der kämpferische Landtagsabgeordnete Leopold Gansch bekannte Stadtchefs.

Joseph Hofmacher, bisher Stadtrat der Liste BUGS, soll Vizebürgermeister werden.
ÖVP-Bürgermeister Franz Aigner, der seit 2019 im Amt ist und davor auch schon Stadtvize war, hatte bei der Wahl mit seiner Liste mit einem Minus von 18,21 Prozent jedenfalls eine historische Schlappe erlitten. Statt wie bisher 15 Mandate hält die ÖVP nur mehr 10 von 25 im Stadtparlament.

Franz Aigner, seit 2019 ÖVP-Bürgermeister, verliert das Amt nun.
"Kein leichtes Los"
Dienstagnachmittag habe man am Verhandlungstisch von der Entscheidung erfahren, berichtet er. "Für die Stadt Scheibbs ist das kein leichtes Los“, erklärt er. Seine Fraktion, der er weiter angehören möchte wolle aber konstruktiv für die Stadt weiterarbeiten, versichert er. Allerdings könne man nicht bei allen Themen der Gegenseite zustimmen. Auch den Zugang zum Land NÖ stellt sich Aigner für die neue Koalition als schwere Hürde vor.
Als Königsmacher war die Liste BUGS mit ihrem bisherigen Umweltstadtrat Josef Hofmacher im Koalitionspoker aktiv. Die Liste hatte einen vierten Gemeinderatssitz dazugewonnen und zählte, so wie die erstmals wieder angetretene FPÖ mit zwei Sitzen ebenfalls zu den Wahlgewinnern. Hofmacher, der Architekt, Künstler und Kulturpräsentator ist, wird neuer Vizebürgermeister werden. Hofmacher zeigt sich optimistisch, man habe gemeinsam mit der SPÖ klare Vorstellungen, sagt er. Natürlich sei für die ÖVP das "Jahrhundertereignis“ jetzt ein schweres Los, gesteht Hofmacher ein. Über die Ressortaufteilung in den Ausschüssen und die Zahl der Stadträte, müsse man noch verhandeln, kündigt Hofmacher an. Nach der Wahl 2020 hatte die ÖVP die Stadträte auf sechs reduziert.
Franz Aigner und sein Team, das die Geschicke der Stadt bislang bestimmt haben und die Rathausadministration in- und auswendig kennen, müssen sich auf Oppositionspolitik einstellen. Für die künftige neue Stadtführung wird die Lenkung und Gestaltung des städtischen Apparats somit kein Honiglecken werden. Das dürften die ÖVP-Verhandler in den vergangenen Gesprächen auch signalisiert haben.

Im Scheibbser Rathaus steht eine politische Zeitenwende an.
SPÖ-Topmann Pöcksteiner - bisher Kulturstadtrat - gab im KURIER-Gespräch zu, wie sein Team vom Wahlergebnis überrascht worden zu sein. Er zeigte aber auch sofort Bereitschaft das Bürgermeisteramt eventuell übernehmen zu wollen und den großen Wurf zu wagen. Klar sei, dass die Scheibbser Wähler eine Veränderung wollen, sagte er. Zur aktuellen Entscheidung war er für den KURIER noch nicht erreichbar.
Wie groß der Druck der SPÖ-Landespartei war, doch noch eine schwarze Bezirksstadt unter roter Führung im Lande feiern zu können, wie das aus den Reihen der ÖVP berichtet wurde, ist vorerst jedenfalls unklar.
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