Gastro-Einsteiger aus Shanghai im Waldviertler Wirtshaus

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Xu Dong Liang und Gattin Lu Yunxia haben das Landgasthaus Braunstein in Pürbach übernommen. Das Paar setzt auf Geschmack und Tradition und gutes, vor allem österreichisches Essen.

Ein zweistöckiges, gelb verputztes Gebäude, eine Gaststube, ein Festsaal, eine Schank, ein Stammtisch, ein Herrgottswinkel. Die Gaststätte der Familie Braunstein aus Pürbach im Bezirk Gmünd ist ein Paradebeispiel für das klassische Wirtshaus am Land. Das reicht von der Einrichtung über die servierten Speisen bis hin zu seinem Werdegang. Denn schlussendlich ist dem Landgasthof vorigen Sommer passiert, was vielen klassischen Wirtshäusern am Land in den vergangenen Jahren passiert ist: Es wurde – pensionsbedingt – geschlossen.

Ein Umstand, der sich jedoch im September ändern soll. Grund dafür sind Xu Dong Liang und seine Frau Lu Yunxia. In von Fachkräftemangel und Wirtshaussterben geprägten Zeiten hat sich das Paar entschieden, den bereits stillgelegten Räumlichkeiten neues Leben einzuhauchen.

Kurvige Karrierepfade

Beim Betreten des Lokals trifft man Lu, die lächelnd hinter der Schank steht. Obwohl es noch eine Weile dauert, bis die 38-Jährige die ersten hungrigen Besucher in Empfang nehmen wird, trägt die angehende Gastgeberin Tracht. Denn ein Tag im Dirndl ist für Lu ein guter Tag. "Da bin ich so fröhlich“, sagt sie schmunzelnd. In Schanghai hat Lu Jura studiert. Heute arbeitet die angehende Wirtin als Pädagogin und bringt Kindern in Kleingruppen die chinesische Sprache bei, wie zahlreiche Bilder auf ihrem Smartphone belegen.

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Gasthaus in Pürbach ist seit dem Vorjahr geschlossen. 

Ihr Mann hat sich an diesem Tag für ein blau kariertes Hemd entschieden, künftig wird er vorwiegend in weißer Kochkleidung zu sehen sein. Neuland für den 42-Jährigen: Xu hat bereits in seinem Geburtsland einen technischen Karriereweg eingeschlagen. Er kam auf Empfehlung vor mehr als 20 Jahren im Rahmen eines Uni-Austauschprogramms an die Kepler-Universität Linz und schloss ein Mechatronik-Studium ab. Seine Frau begleitete ihn. Das Paar lebte rund zwei Jahrzehnte in Wolfsegg am Hausruck (Bezirk Vöcklabruck) und gründete in der oberösterreichischen Gemeinde eine Familie.

Wunsch nach Veränderung

Im Lauf der Zeit wuchs in Xu der Wunsch nach beruflicher Veränderung. "Ich habe mich selbst gefragt, welche Arbeit und Karriere ich möchte“, beschreibt der 42-Jährige. Dabei wurde ihm bewusst: "Ich koche schon seit der Studienzeit gerne.“ 

Neben der Ausbildung hat Xu geringfügig in drei chinesischen und einem japanischen Restaurant gearbeitet. Damals sei in seinem Kopf gewissermaßen ein Samen gepflanzt worden, der über die Jahre herangewachsen ist und sich schließlich zu der Idee von einem eigenen Restaurant formte.

Die Suche nach einem geeigneten Lokal für ihr Vorhaben führte die Familie schließlich zu dem leer stehenden Landgasthaus in Pürbach.

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Paar in der noch leeren Gaststube. 

Nach einigen Monaten Bedenkzeit fiel Ende des Vorjahres ihre Entscheidung. Seit Juli lebt die Familie in der Wohnung über dem Gastraum. Der Umzug ins Waldviertel ist für das Paar und die beiden Töchter eine Umstellung. „Es ist schon ganz neu“, schildert Xu. Der Abschied von ihren alten Nachbarn sei schwergefallen. „Aber die Leute hier sind auch sehr nett.“

Kulinarische Klassiker

Bevor die mit bunten Glasstücken verzierte Tür des Landgasthauses wieder von hungrigen Gästen geöffnet wird, bleibt einiges zu tun: das Reinigen aller Räume, das Kennenlernen der Registrierkasse oder das Entwerfen der Lokal-Website. "Wir sind beide Anfänger. Wir haben noch keine Erfahrungen in dem Geschäft“, sagt Xu, der sich auf die kommende Herausforderung zu freuen scheint.

Aktuell lernt der 42-Jährige österreichische Speisen nach originalem Rezept zuzubereiten. Dabei unterstützen ihn die Vorbesitzer. Denn schmecken sollen Tafelspitz und Schweinsbraten wie gewohnt. Xu kann sich vorstellen, künftig auch ein, zwei Klassiker aus seinem Geburtsland anzubieten. "Ich merke schon lange, dass es in Österreich fast kein richtiges chinesisches Essen gibt. Außer in Wien“, so der Neo-Gastronom.

Nicht nur in ihrem künftigen Beruf, auch privat verbringt die Familie viel Zeit in der Küche und am Esstisch. Traditionell sei das Essen in China ein sehr wichtiger Teil des Tages, erklärt Xu. "Gutes Essen, gutes Leben“, stimmt seine Frau zu.

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