Euthanasie-Protokoll des Grauens aus der Heilanstalt

Der Anstaltsfriedhof in Mauer wurde 1944 für NS-Massenmorde erweitert
Ein historisches Citizen-Science-Projekt dokumentiert das Morden der Nazi-Schergen in der Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling. Die Landesausstellung 2026 wird die dunkle Zeit thematisieren.

Unmenschliches Morden, penibel wissenschaftlich analysiert, gibt eine einzigartige Studie zu den Verbrechen von Nazi-Schergen in der früheren Heilanstalt Mauer bei Amstetten wider. Die schwer zu ertragende Dokumentation zur NS-Euthanasie und zum Tod von 190 namentlich bekannten Menschen, die 1945 und 1946 in Mauer ermordet wurden, wird kommenden Donnerstag (18 Uhr) im Amstettner Rathaus präsentiert.

Im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts unter der Leitung des Instituts für jüdische Geschichte gingen Forscher, Lokalhistoriker, Studenten aber auch Angehörige von Opfern den letzten Tagen und Stunden der Euthanasieopfer nach.

Euthanasie-Protokoll des Grauens aus der Heilanstalt

Das 90 Hektar große Areal desheutigen Landesklinikums umfasst auch eine großzügige Friedhofsanlage

In den ersten Kriegsjahren wurden 1.269 Patienten – im Nazi-Jargon als „unwertes Leben“ stigmatisiert – von der „Heil- und Pflegeanstalt Mauer“ ins Schloss Hartheim in Oberösterreich transportiert. Dort wurden sie vergast und ihre Leichen im Krematorium eingeäschert. Mit dem Ende der Verlegungen, Mitte 1941, ging das Morden anstaltsintern in Mauer weiter. Bis Ende 1943 verdreifachte sich die Sterblichkeitsrate durch Hunger, Vernachlässigung, Medikamente und Gewalt, hat Historiker Philipp Mettauer 2019 dokumentiert.

Friedhof

Als Ende 1944 der Anstaltsfriedhof endgültig keinen Platz mehr bot, kam es mit einer Erweiterung zum Start einer regelrechten Mordserie. Für die 190 Opfer bis Kriegsende war weitgehend der aus Gugging gekommene SA-Arzt Emil Gelny hauptverantwortlich. Mit Giftspritzen und Elektroschocks haben er und Helfer gemordet.

Euthanasie-Protokoll des Grauens aus der Heilanstalt

Eine Gedenktafel an der Aufbahrungshalle erinnert an die Nazi-Opfer in Mauer-Öhling

Von den 77 Massengräbern am Zusatzfriedhof wählten die Forscher für das Science-Projekt das Grab mit der Nummer 64. Die Schicksale jener neun Menschen, die am 18. April 1945 nackt in dieses Loch geworfen wurden, wurden vom Historiker-Team genau erforscht.

Die neun wurden zwei Tage zuvor von Gelny und zwei namentlich bekannten Pflegern am Pavillon 1 mittels Elektroschockern ermordet. Offiziell schrieb man Nieren-, Lungenentzündungen oder Darmkatarrh als Todesursachen in die Akten.

Anhand von Zeugenprotokollen und Niederschriften mit Angehörigen der Ermordeten werden beklemmende Schicksale, etwa von Johann Fußthaler aus Wiesenbach bei St. Veit/Gölsen, dem Bergführer Stefan Griesauer aus Payerbach oder Johann Mayerhofer aus St. Corona am Schöpfl dokumentiert. Geplant sei gewesen, rund 700 Menschen in der Aktion „Endphase“ in Mauer umzubringen, gab der Anstaltsleiter später freimütig zu Protokoll.

Landesausstellung

Das zusätzliche Gräberfeld existiert, so wie der offizielle Friedhof, am 90 Hektar großen Klinikum-Areal noch immer. Grüne Wiese bedeckt die Massengräber. Die Anlage wird wohl auch 2026, wenn in Mauer die NÖ Landesausstellung stattfindet, Beachtung finden.

Euthanasie-Protokoll des Grauens aus der Heilanstalt

Grüne Wiese bedeckt die Massengräber aus der Nazi-Zeit

Grundsätzlich sei neben den Themen Jugendstil-Ensemble und seelische Gesundheit auch die Aufarbeitung der NS-Gräuel als Ausstellungsthema geplant, berichtet der ärztliche Klinikchef Christian Korbel. Die Organisation obliegt der NÖ Kulturabteilung.

Euthanasie-Protokoll des Grauens aus der Heilanstalt

Vor dem Pavillon 18 erinnert das Mahnmal "Himmelstreppe" von Florian Nährer an die Opfer der NS-Mörder

„Im Pavillon 18, in dem diese Zeit dokumentiert werden soll und wo jetzt schon ein Mahnmal erinnert, könnte dann eine Dauergedenkstätte eingerichtet bleiben“, so Korbel. Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat diese Absicht schon bekundet.

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