Seit 60 Jahren: Am Dollfuß-Platz wird nicht gerüttelt

Zusammenfassung
- Der Dr.-Dollfuß-Platz in Mank ist eine umstrittene Kreuzung, benannt nach Engelbert Dollfuß, die Diskussionsstoff aufgrund der Namenswahl bietet.
- Seit 1965 trägt die Kreuzung den Namen, was auf eine Anerkennung Dollfuß' als lokale Figur hindeutet, obwohl er als autoritärer Politiker bekannt ist.
- Es gibt Bestrebungen zur Umbenennung, um keine autoritären Politiker zu ehren, aber bisher fehlt der politische Wille zur Umsetzung.
Von Anna Mayr
Bei der Fahrt nach Mank (Bezirk Melk) passiert lange Zeit nichts Besonderes. Hier ein paar Felder, dort sanfte Hügel, ein Blumenladen, eine Kirche. Und dann ist man auch schon vorbei – am letzten Straßenschild in Österreich, das Engelbert Dollfuß gewidmet ist.
Genauso unaufgeregt wie das Örtchen selbst ist auch der nach ihm benannte Platz. Ironie am Rande: Eigentlich ist es gar kein Platz, sondern eine viel befahrene Kreuzung. Autos und Lkw rauschen im Sekundentakt vorbei, die Gehsteige dagegen sind menschenleer. Und auch die Spuren, die auf den Namen des Platzes hinweisen, muss man suchen. Drei Mal taucht der Name Dollfuß in Mank auf: auf einem schlichten blauen Schild, das über dem viel größeren Fuß- und Radwegschild fast untergeht, sowie auf zwei Hausnummern: Dr. Dollfuß-Platz 1 und 2.
Warum dieser Name kontrovers ist, wissen viele – doch reden wollen nicht alle darüber. Eine Passantin winkt kurz ab: „Ich glaub’, es gibt wichtigere Themen, über die man diskutieren sollt’“, sagt sie und verschwindet hinter der Straßenkreuzung.
Pragmatischer Zugang
Auch im Bauernladen mit der Adresse Dr.-Dollfuß-Platz 1 wird der Platz als ganz gewöhnlicher Straßenabschnitt gesehen „Mit dieser Person, dem Dollfuß, hab ich mich eigentlich erst durch die verstärkte mediale Aufmerksamkeit beschäftigt“, sagt eine Frau hinter der Theke. Die Straße heiße eben so, „seit ich mich erinnern kann“. Ihr Ton klingt weder empört noch verteidigend – eher pragmatisch.
Dabei ist die Geschichte hinter der Namensnennung alles andere als alltäglich. Der Dr.-Dollfuß-Platz in Mank wurde im Jahr 1965 offiziell benannt – also drei Jahrzehnte nach Dollfuß‘ Tod und lange nach dem Ende seines autoritären Ständestaats. Für Christian Rapp, Leiter des Haus der Geschichte, ist dies unverständlich: „Zu dieser Zeit war schon vieles bekannt. Die einzige Erklärung ist, dass Dollfuß in der Region anders gesehen wurde – als Sohn der Heimat, als kleinwüchsiger Bauernbub, der es geschafft hat. Das Autoritäre wurde ausgeblendet.“
Anlass der Benennung war eine Rede, die Dollfuß im Jahr 1929 in Mank hielt. Thema war die Einführung der Pflichtversicherung für Landarbeiter. Ein frühes sozialpolitisches Projekt, mit dem er damals Zustimmung aus verschiedenen politischen Lagern erhielt.
Doch während viele Dollfuß-Straßen in Österreich längst verschwunden sind, blieb der Name in Mank. Was einst als Erinnerung an die Reform der Pflichtversicherung gedacht war, ist heute ein Symbol für eine unbeendete Debatte: Wird hier eine einzelne Handlung gewürdigt? Oder eine autoritäre Politik?
„Keine Fußnoten“
Für Rapp ist die Sache klar: „Der öffentliche Raum lässt keine Fußnoten zu. Wenn der Name dort steht, wird die Figur legitimiert. Und das geht sich bei Dollfuß einfach nicht aus. Er hat die Demokratie zerstört und eine Diktatur errichtet.“
Auch Petra Irschik, SPÖ-Stadtparteivorsitzende in Mank, sieht die Zeit für eine Umbenennung gekommen: „Wir sollten im Jahr 2025 keinem Diktator mehr huldigen.“ Ein Vorschlag der Manker SPÖ liegt längst auf dem Tisch: eine Verlängerung der Herrenstraße wäre leicht möglich, finanziell würde sich das Projekt auch in Grenzen halten, müsste man doch nur drei Blechtafeln abmontieren. Doch bewegt hat sich bisher wenig. Warum? „Das müssen Sie die ÖVP fragen“, sagt Irschik. „Für manche ist dieser Name offenbar noch immer wichtiger als alles, was wir heute wissen.“
Trotz mehrmaliger Nachfrage ist ÖVP-Bürgermeister Martin Leonhardsberger für den KURIER nicht erreichbar. Die Aufarbeitung sei längst erfolgt, betont Irschik. Es gab Veranstaltungen und Debatten im Gemeinderat – die Ergebnisse wurden in einem Buch, das in Mank präsentiert wurde, veröffentlicht: „Jetzt heißt es nur mehr von der ÖVP: Wir haben keine Eile.“
Frage des politischen Willens
Rapp kennt solche Situationen: „Das ist diese Jetzt-erst-recht-Mentalität. Der Reflex, sich nichts vorschreiben lassen zu wollen – weder vom Land noch vom Zeitgeist. Sich Dollfuß und seiner Regierungszeit zu widmen und darüber zu debattieren, ist wichtig. Aber an einem öffentlichen Ort sollte man ihm nicht gedenken.“
Eine schlichte weiße Tafel soll den autoritären Politiker erklären. Doch auch sie ändert nicht, dass der Dr.-Dollfuß-Platz in Mank bleibt, was er schon seit Langem ist: ein Ort der Durchfahrt, nicht des Verweilens – trotz des netten Bauernladens mit der ominösen Hausnummer. Der Name bleibt also – unscheinbar, aber sichtbar. Ob er bald verschwindet, ist eine Frage des politischen Willens.
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