„Die Unterdrückung macht mich so wütend“

Ruth Brauer-Kvam führt im Frühjahr 2023 am Landestheater St. Pölten Regie und dann beim Theatersommer in Haag
Ruth Brauer-Kvam will als Regisseurin der antiken Antikriegskomödie Lysistrata, oder neu "Ella, Ella", in Haag viele Lacher und ernste Botschaften servieren

Nur wenige Bühnenstücke passen wohl so gut zu ihrem Charakter. Die über 2.400 Jahre alte griechische Komödie über Emanzipation und Pazifismus ist Ruth Brauer-Kvam wie auf den Leib geschrieben. Der bekannte, erheiternde Stoff aus dem antiken Lustspiel Lysistrata wird nun unter ihrer Regie umgearbeitet und mit dem neuen Titel „Ella, Ella“ im nächstjährigen Theatersommer in Stadt Haag gespielt.

Gut könnte man sich Ruth Brauer-Kvam in der Rolle einer der impulsiven griechischen Amazonen vorstellen, die gegen den Krieg der Männer zwischen Athen und Sparta auf die Barrikaden steigen. Daheim bleiben Herd und Bett solange kalt, bis der Krieg beendet ist. Das ist der Stoff, der für „Ella, Ella“ neu erzählt wird. Der Haager Intendant Christian Dolezal hat dem ungemein vielseitigen und temperamentvollen Energiebündel Brauer-Kvam aber nicht eine Rolle, sondern die Regie angeboten. Die hat sie sofort mit Feuereifer übernommen.

„Die Unterdrückung macht mich so wütend“

Intendant Christian Dolezal holte Ruth Brauer-Kvam nach Haag

In Haag betritt die Alleskönnerin wieder einmal Neuland. Sie inszeniert erstmals Sommertheater, noch dazu auf einer Open-Air-Bühne. Das passt ins Bild. Rastlos sucht sie im Theater auf der Bühne oder im Regiesessel Herausforderungen, wird in Musicals umjubelt, spielt in erfolgreichen TV-Serien wie den „Vorstadtweibern“ oder brilliert in Kinofilmen. Als Publikumsliebling ist sie in ihrem Staatsoperndebüt als Ambrogio im „Barbier von Sevilla“ zu erleben.

Faszination

„Sommertheater ist jetzt nach der Corona-Zeit sehr wichtig. Man erreicht ein ganz anderes Publikum als etwa am Burgtheater“, sagt die 50-Jährige. Doch ihr Engagement in Haag ist vor allem der für sie faszinierenden Thematik geschuldet. „Es ist so ein faszinierender Stoff und gerade jetzt ungemein aktuell. 400 Jahre vor Christus erdachte Aristophanes diese Illusion , einen Krieg durch List und Widerstand der Frauen zu beenden. Wunderbar“, schwärmt die Künstlerin.

„Die Unterdrückung macht mich so wütend“

Ruth Brauer-Kvam freut sich auf ihre erste Sommertheater-Regie

Und genauso beginnt die Regisseurin zu glühen, wenn sie über den Spielort in der Altstadt von Haag spricht. „Dort ist es genau richtig. Eine unglaubliche Kulisse und Abendstimmung. Theaterspielen unter dem Mond und den Sternen, was gibt es Schöneres. Und wenn’s regnet, dann regnet’s eben“, sagt Brauer-Kvam verzückt. Gemeinsam mit Bühnenbildnerin Monika Rovan würden laufend Ideen gewälzt, wie man dem Ambiente griechisches Flair und revolutionäre (weibliche) Stimmung einhauchen könne.

Straßentheater

Dazu die Chance, das Publikum so unmittelbar miteinbeziehen zu können. „Das ist das Tollste. Es ist wie beim Straßentheater, wir kommen doch alle irgendwie von dort“, gibt sie ein wenig Einblick in die Dramaturgie von „Ella, Ella“. „Es wird gelacht, gekämpft, getanzt und geliebt. Und am Ende wird Frieden sein“, verrät die Regisseurin.

Vorstadtweiber

Vielseitig engagiert: Ruth Brauer-Kvam in den Vorstadtweibern

Doch wer die Arbeit von Ruth Brauer-Kvam beobachtet, weiß, dass lustige Oberflächlichkeit nicht ihre Linie ist. Geprägt von ihrem 2021 verstorbenen – ebenso vielseitigen – Vater Arik, kämpft sie mit Tiefgründigkeit, eher ohne lautes Geschrei gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit an. „Ella, Ella“ sieht sie auch als Botschaft an die Frauen. „Egal, wo man hinsieht. Ob im Iran, jetzt in Indonesien oder in Afghanistan, wo Frauen ausgepeitscht werden, wenn sie sich bilden wollen. Diese Unterdrückung macht mich so wütend“, wird sie emotional. Die Botschaften der Frauen wird sie 2023 nicht nur in Haag zu vermitteln wissen. Schon im Frühjahr führt sie Regie am Landestheater St. Pölten. Da will sie in George Bernard Shaws „Pygmalion“ das in „My Fair Lady“ verzerrte Bild des Blumenmädchens Eliza zurechtrücken. Premiere: 23. März. Die Uraufführung von „Ella, Ella“ steigt am 28. Juni.

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