Besitzstörung: 395 Euro für eine "Trinkpause"

Privatgrund zu befahren oder darauf zu parken kann eine Besitzstörungsklage nach sich ziehen.
Das Thermalbad Bad Vöslau (Bezirk Baden) bietet nicht nur in seinem Inneren kühles Nass, an der Fassade des historischen Baus kann man sich bei einem kleinen Brunnen mit Thermalwasser erfrischen, noch dazu kostenlos.
Ein Angebot, an das sich am heißen Nachmittag des 4. Juli auch Frau M. erinnerte, als sie mit ihrem Auto am Badplatz vorbeikam. Sie legte einen Stopp ein, um „ein paar Schluck Wasser zu trinken“, und fuhr „nach vielleicht drei Minuten“ wieder weiter. Ihr Auto hatte sie dafür neben dem Thermalbad, wenige Meter von dem Trinkbrunnen entfernt, abgestellt. Wo sich zwar kein ausgewiesener Parkplatz und eine Bodenmarkierung mit gelben Streifen findet, aber kein Verkehrszeichen, dass hier Halten und Parken verboten sei.

Ort des Anstoßes. Weil etliche „Kurzparker“ betroffen sind, stellte die Gemeinde Warnschilder auf.
395 Euro gefordert
Groß war bei Frau M. die Überraschung, als einige Tage später ein Schreiben von einer Rechtsanwaltskanzlei ins Haus flatterte. Darin wurde eine Klage wegen Besitzstörung angedroht, würde sie nicht 395 Euro zahlen für den Abschluss einer „privatautonomen Vereinbarung über einen Verzicht auf die Klagsführung wegen Besitzstörung“. Beigelegt war dem Schreiben ein Foto, das ihr abgestelltes Auto an dem besagten Nachmittag vor dem Thermalbad zeigt.
Frau M. fiel aus allen Wolken, Unrechtsbewusstsein wollte sich aber keines einstellen. „Es handelt sich an der besagten Stelle um öffentliches Gemeindegebiet“, meint sie. Neben ihrem Auto sei ausreichend Platz gewesen, falls jemand vorbeifahren hätte wollen. Den Vorwurf der Besitzstörung wies sie deshalb auch in einem Antwortschreiben zurück.
Vor Gericht
Was die Gegenseite anders sah. In einem zweiten Schreiben wurde Frau M. aufgefordert, binnen sieben Tagen zu zahlen. Als sie sich wieder weigerte, kamen die Besitzstörungsklage und eine Ladung für Mitte November auf das Bezirksgericht Baden. „Weil Sie mit Ihrem Pkw auf einem Privatparkplatz geparkt haben“, heißt es darin.
Frau M. fühlt sich im Recht und will die Sache durchfechten. Einen Anwalt hat sie sich schon genommen. Sie sei nicht alleine: „Es gibt viele Leute, die betroffen sind, viele haben die 395 Euro bezahlt.“ Es gehe ihr nicht vorrangig ums Geld, „sondern ums Prinzip. Es ist und bleibt ein Unrecht.“
Tausende Fälle
Beim ÖAMTC sind derartige Fälle nicht unbekannt, ganz im Gegenteil. Die Rechtsberatung bearbeitet allein in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland jährlich weit über 1.000 Fälle von unerwarteten Forderungen bezüglich Besitzstörungen.
Im „Normalfall“ sind Privatgrundstücke betroffen. Da muss man gar nicht länger dort parken, es genügt schon, auf einem derartigen Platz umzudrehen. Noch dazu muss der Privatbesitz nicht extra gekennzeichnet sein. Es reicht schon, wenn sich die Fläche vom übrigen Straßenraum abhebt.
Natürlich muss es sich niemand gefallen lassen, wenn sein Grundstück befahren wird, aber oft handelt es sich um „Fallen“, wo Flächen ganz bewusst mit Kameras überwacht werden, um mit Androhung einer Besitzstörungsklage Geld zu machen.
Muss kein Privatgrund sein
Im Fall von Frau M. wurde aber gar kein Privatgrund befahren. Es kann sich trotzdem um eine Besitzstörung handeln, sagt ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried. Wenn man nämlich auf öffentlicher Straße parkt und jemand dadurch nicht oder nur erheblich erschwert seine Einfahrt nutzen kann. „Wenn der Betroffene dafür mehrmals reversieren muss, kann das für eine Besitzstörungsklage ausreichen“, erklärt Authried.
Allerdings muss der Besitzer beweisen, dass das so war. Und man kann auch nur als direkt Betroffener aktiv werden. Wenn ein vor der Einfahrt des Nachbars geparktes Auto den eigenen Gerechtigkeitssinn weckt, kann man eine Anzeige erstatten, aber keine Besitzstörungsklage androhen.
Frau M. ist zuversichtlich, Recht zu bekommen. Weil es sich bei dem Platz um öffentlichen Grund handelt, fühlt sie sich von der Gemeinde auch im Stich gelassen. „Man ist tatenlos“, sagt sie.
Bürgermeister Christian Flammer (Liste Flammer) ist die Causa mehr als bekannt. „Viele haben sich schon beschwert.“ Doch die Gemeinde könne in der Sache nichts machen, habe keine rechtliche Handhabe. Hinweistafeln wurden aufgestellt, die auf die Gefahr hinweisen. Nun will man auch prüfen, ob man beim Brunnen ein legaler und ausgewiesener Parkplatz zum Halten einrichtet werden kann.
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