Bereitschaftsdienst: Kein Arzt am Wochenende

Bereitschaftsdienst: Kein Arzt am Wochenende
Nur ein Hausarzt war im Bezirk Gänserndorf im Einsatz. Kritik üben Mediziner an Entlohnung für die Dienste

Beim ärztlichen Bereitschaftsdienst am Wochenende ist weiterhin Sand im Getriebe. Im Bezirk Gänserndorf versah am 17. und 18. August in neun Sprengeln gerade einmal ein Allgemeinmediziner Dienst, wie Walter Krichbaumer von der Freien Bürgerliste Gänserndorf aufzeigt.

Seit einem Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs zu Jahresbeginn verrichten Allgemeinmediziner mit Kassenverträgen die Bereitschaftsdienste auf freiwilliger Basis. Eine tragbare Lösung musste her und die sieht seit 1. Juli neue Regelungen bei den Öffnungszeiten und eine Anhebung der Honorare vor. So wurde etwa das Basishonorar von 90 auf 150 Euro angehoben – bei weniger Stunden (siehe unten).

Allerdings reicht die Regelung vielen Hausärzten nicht. Erst Angang August hatten die Allgemeinmediziner in Amstetten die Praxen am Wochenende geschlossen, um auf die „schlechten Arbeitsbedingungen“ hinzuweisen.

"Befindlichkeitsstörung der Ärzte"

Warum nun in Gänserndorf nur in einem Sprengel Bereitschaftsdienst versehen wurde, könne er nur mutmaßen, sagt Franz Tödling, Bezirksärztevertreter in Gänserndorf und Hausarzt in Probstdorf. „Viele Ärzte haben in den vergangenen Jahren Dienste gemacht und dann festgestellt, dass sie das gar nicht müssen hätten. Da gab es Sprengel, wo Kollegen jede zweite, dritte Woche drangekommen sind.“ Und das zu sehr niedrigen Pauschalen.

Das habe viele Mediziner enttäuscht. „Es hat zu einer Befindlichkeitsstörung der Ärzteschaft geführt“, meint Tödling. Nun seien die Pauschalen zwar angehoben worden, das sei aber immer noch zu wenig. „Jetzt setzen viele Kolleginnen und Kollegen ein Statement.“

Verdienst ab 20. Patienten?

Ähnlich sieht das der Wiener Neustädter Hausarzt Oliver Rückert, der im Frühling nach dem Spruch des Verwaltungsgerichtshofes die „Plattform Freiwilligkeit“ gegründet hatte. „Es wird einzig an der Attraktivität liegen, warum die Dienste nicht besetzt sind“, konstatiert er. Zwar gebe es nun mehr Geld für den Wochenenddienst, aber nach Abzug von Steuern und Fixkosten bleibe dennoch kaum etwas übrig.

„Mit der Grundpauschale ist die Assistentin bezahlt, dann ist das Geld weg“, sagt er. Erst ab dem 20. Patienten würde man verdienen.

Notlösung Ambulanz?

Die Kranken müssten nun in Spitalsambulanzen ausweichen, was weit mehr koste. „Ein Ambulanzbesuch eines Patienten kostet 150 Euro. Ich bin also für sechs Stunden so viel wert, was dieser Besuch kostet“, ärgert er sich.

Ärztemangel

Bei der Ärztekammer glauben Vertreter hingegen nicht, dass es nur an der Bezahlung liegt, sondern auch an Überlastung aufgrund von Hausärztemangel. Wie etwa in Groß-Siegharts, wo sich aktuell kein Kassenarzt findet. Notfalls sollen hier laut Land die Spitalsärzte einspringen.

Generell betont die Kammer, dass die massive Unterbesetzung in Gänserndorf ein Ausreißer gewesen sei. Unterversorgt seien die Patienten nicht gewesen, neben der Gesundheitshotline 1450 hätte in Gänserndorf auch die Tagesklinik geöffnet gehabt. Das lässt Bürgerlisten-Gemeinderat Krichbaumer nicht gelten. „Es gibt auch Leute, die kein Auto haben.“

Großteil der Sprengel besetzt

Laut Birgit Jung von der Ärztekammer seien in Niederösterreich im Juli nur 27 bis 28 Sprengeln von 135 nicht besetzt gewesen.

Das ist für die Mediziner kein Trost, sie sowie Krichbaumer sehen die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern. Immerhin: Ab 1. Jänner sollen auch Wahl- und Spitalsärzte Bereitschaftsdienste absolvieren können. Ob die zu den Tarifen arbeiten wollen, sei aber laut Rückert fraglich.

Hintergrund: Mehr Geld, kürzere Öffnungszeiten

Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Anfang des Jahres wurde das System der ärztlichen Bereitschaftsdienste auf den Kopf gestellt. Nach einer Klage eines steirischen Arztes wurde festgestellt, dass es eigentlich keine rechtliche Grundlage für einen verpflichtenden Bereitschaftsdienst am Wochenende gebe. Und zwar nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Niederösterreich.

Daraufhin starteten Überlegungen, wie das System neu aufgestellt wird. Hunderte Allgemeinmediziner schlossen sich zur „Plattform Freiwilligkeit“ zusammen, um ihre Anliegen, etwa eine Erhöhung der Honorare für den Bereitschaftsdienst, durchzusetzen.

Im Frühling verhandelten NÖ Ärztekammer, die nö. Gebietskrankenkasse und das Land über eine tragfähige Lösung für den Bereitschaftsdienst. Nach einer Einigung trat diese mit 1. Juli Kraft.

Die wichtigsten Eckpunkte: Die Bereitschaftsdienste beruhen weiterhin auf Freiwilligkeit. Die Öffnungszeiten wurden  an den Wochenenden und Feiertagen  auf sechs Stunden reduziert: Nun haben alle diensthabenden Mediziner ihre Ordinationen von 9 bis 11 Uhr geöffnet. Ab 8 Uhr und bis 14 Uhr  sind die Ärzte auf Visite. Bei den Honoraren wurden etwa das Basishonorar von 90 auf 150 Euro angehoben sowie die Tarife für Visiten verdoppelt.und das Entgelt für Ordinations-Besuche erhöht.

 

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