Beatrix Neundlinger: Eine Stimme, die nie verstummt

Beatrix Neundlinger steht in ihrem grünen Innenhofgarten – einer unerwarteten Oase inmitten von Wien-Währing. „Das Mehrparteienhaus haben Freunde und ich in den 1980er-Jahren gekauft, vier Mitglieder von den Schmetterlingen haben hier gewohnt, das war nur möglich, weil wir ganz gut verdient haben“, erzählt sie bei einem Kaffee. Seit 1976 war sie Mitglied der Band – als die „Proletenpassion“ produziert wurde, ist sie dazugekommen.
Ebenfalls mit Freunden hat die Sängerin, Schauspielerin und Aktivistin einige Jahre davor im Waldviertel bei Litschau ein Haus gemietet. „1977 hat uns eine Bekannte davon erzählt, weil sie dort bei Dreharbeiten eines Exorzismusfilms dabei war“, schmunzelt sie.
Es gab keinen Strom und keine Heizung. Heute gibt es PV-Paneele. Wenn Neundlinger es warm haben möchte, müsste sie aber noch immer Holz hacken. Seit 48 Jahren kommt sie hierher. „Ich bin ein bisschen eine Waldviertlerin, könnte man sagen.“
Es gibt viele Erinnerungen – Erinnerungen an Winterferien mit ihren beiden Kindern, die Anfang der 1980er geboren sind, Erinnerungen an Granitsteine mit Glas: „Vor 300 Jahren gab es hier eine Glasfabrik und man findet immer noch Glasbatzen“, Erinnerungen an den Kaiser-Franz-Josefs-Hain: „Ein Eichenhain wurde hier zu seinem 50. Regierungsjubiläum gepflanzt“, erzählt sie. Und Erinnerungen an ihren Ex-Mann Willi Resetarits. „Die Leute fragen, wenn sie vorbeikommen: ,Hat hier der Ostbahnkurti gewohnt?’, ich sage: ,Nein’, weil sie nicht einmal grüßen können.“

Aktivismus
Mit ihm stand sie bei den „Schmetterlingen“ auf der Bühne. Auch auf der Song-Contest-Bühne – 1977 in London. Sie performten das Lied: „Boom Boom Boomerang“. „Das würde ich heute nicht mehr singen, das ist einfach blöd“, sagt sie.
Den Text hat Lukas Resetarits geschrieben, es war als satirische Kritik an der Plattenindustrie gedacht. Österreich landete damit auf dem vorletzten Platz. „Für uns war damals nur wichtig, Geld zu bekommen“, sagt die 78-Jährige.
Für Neundlinger war das nicht die erste Song-Contest-Erfahrung, mit ihrer Band „Milestones“ nahm sie bereits 1972 teil – „Falter im Wind“ sorgte für Platz 5.
Doch mit den Schmetterlingen war es anders: „Weil wir kurz davor in einer Live-Sendung am 30. April im deutschen Fernsehen unsere politische Meinung gesagt und die Leute aufgefordert haben, zur Mai-Demo zu gehen, bekamen wir nicht nur ZDF-Verbot, sondern auch beim Song-Contest wurden Vorbereitungen getroffen, um unseren Live-Auftritt gegebenenfalls durch eine Demoversion zu ersetzen. Das war natürlich nicht notwendig“, erzählt die Sängerin.
Politischen Aktivismus hatte Neundlinger mit den Schmetterlingen schon bei der Arena-Besetzung in Wien gezeigt. Nach der letzten geplanten Vorstellung der „Proletenpassion“ im Juni 1976 am Gelände des ehemaligen Auslandsschlachthofs St. Marx, der von der Stadt Wien zum Abriss bestimmt war, „haben wir’s besetzt“, so Neundlinger.
„Es war eine Spielwiese, um Basisdemokratie zu üben. Jeder durfte alles sagen und die Bühne nutzen.“ Am Ende drehte die Stadt Wien Strom und Wasser ab, im Herbst wurde es kalt und die Besetzer beugten sich schließlich. Die Gebäude wurden abgerissen.
Mitte der 1980er fing Neundlinger dann an, Kindertheater zu spielen. Seit Beginn der 2000er-Jahre ist sie in der Erwachsenenbildung tätig. „Da wurden die Auftritte mit den Schmetterlingen auch immer weniger, Willi konzentrierte sich mehrheitlich auf den Ostbahnkurti“, so Neundlinger. Es folgte eine Coaching- und Supervisionsausbildung. Doch auch ihre Laufbahn als Musikerin ging weiter, ab 2004 in der Band „9dlinger und die geringfügig Beschäftigten“.
Heute macht sie Seminare für Frauen. „Ich gebe Inputs für ein selbstbewussteres Auftreten, dazu gehören Stimmübungen und Übungen aus dem Theatersport“, erklärt sie. Im Herbst ist ein solches Seminar beim Frauennetzwerk „Frau Ida“ in Zwettl geplant.
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