Beispiel Marienthal: Was eine Jobgarantie bringt - und kostet

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Wie wirkt sich Langzeitarbeitslosigkeit aus, was bewirkt eine Jobgarantie? Warum in Gramatneusiedl nach Antworten geforscht wird.

Zusammenfassung

  • Das Modellprojekt MAGMA in Gramatneusiedl bot Langzeitarbeitslosen eine Jobgarantie mit tariflichem Mindestlohn und brachte rund 110 Menschen in Beschäftigung.
  • Die wissenschaftliche Auswertung zeigte positive finanzielle und psychosoziale Effekte für die Teilnehmenden, ohne Verdrängungseffekte am Arbeitsmarkt.
  • Die Kosten des Projekts waren zunächst hoch, relativierten sich aber über die Zeit, wobei eine bundesweite Umsetzung aus finanziellen Gründen derzeit nicht geplant ist.

Mitte 1929 arbeiteten in der Textilfabrik Marienthal rund 1.300 Menschen. Anfang 1930 waren es nur noch 60, die mit letzten Aufräumarbeiten beschäftigt waren. Die Übrigen waren arbeitslos – und blieben es mitten in der Weltwirtschaftskrise auch. Die berühmte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von 1932 setze ihnen ein Denkmal und thematisierte Langzeitarbeitslosigkeit. 

93 Jahre später sind in Gramatneusiedl (Bezirk Bruck/Leitha) noch etliche Spuren aus dieser Zeit zu finden. Viele historische Gebäude, darunter die aufwendig und liebevoll renovierten Arbeiterhäuser, stehen noch. Der Platz vor dem Gemeindezentrum ist nach Marie Jahoda benannt, die damals maßgeblich an der Studie mitarbeitete und ein kleines Museum informiert ausführlich über die Vergangenheit. 

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Die ehemalige Arbeitersiedlung der Textilfabrik ist liebevoll renoviert worden.

Pilotprojekt MAGMA

Die Langzeitarbeitslosigkeit ist hier aber auch heute noch Thema. Und führte am Montag Finanzminister Markus Marterbauer und Landesrat Sven Hergovich (beide SPÖ) nach Gramatneusiedl. Man ließ sich durch Bürgermeister Thomas Schwab nicht nur über die Geschichte des Ortes informieren, die Rede war auch von Jobgarantien für Arbeitslose.

Das war der Ansatz des Modellprojektes Arbeitsplatzgarantie Marienthal (MAGMA), das 2020 an dem geschichtsträchtigen Ort gestartet wurde. Die Idee: Alle Langzeitarbeitslosen im Ort bekommen einen Job und dafür zumindest den tarifvertraglichen Mindestlohn. Über dreieinhalb Jahre wurden so rund 110 Personen in Beschäftigung gebracht. Entweder mit subventionierten Jobs in bestehenden Unternehmen oder im öffentlichen Bereich. „Das hatte positive Auswirkungen im ganzen Ort“, meint Bürgermeister Schwab. 

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Marterbauer, Hergovich und Schwab im Museum Marienthal

Für Hergovich, 2020 noch Chef des AMS-NÖ, ein Erfolgsmodell: „ Es ist einfach sinnvoller, in Arbeit zu investieren, statt Langzeitarbeitslosigkeit zu finanzieren.“ Und er bedauert, dass MAGMA nach der Projektzeit auslief.

Kostenfrage

Mit MAGMA hat Marienthal nach der Studie von 1932 auch ein zweites Mal Einzug in die Wissenschaft gefunden. Die Ergebnisse anhand des Vergleichs mit einer Arbeitslosengruppe ohne Jobgarantie, fasste Wissenschaftler Lukas Lehner von der Oxford University am Montag zusammen: Wer Arbeit hat, dem geht es besser. Nicht nur finanziell, sondern auch die „psychosoziale Stabilität verbessert sich.“ Auch die Suche nach regulären Jobs habe sich nicht verändert, bestehende Jobs seien nicht verdrängt worden. Und vor allem untersuchte man die Frage: „Kann man sich das leisten?“

Keine unbegründete Frage, denn schließlich kostete MAGMA 7,4 Millionen Euro. Viel Geld, aber auch Arbeitslosigkeit kostet viel, wird argumentiert. Laut Untersuchung gab es die ersten eineinhalb Jahre einen deutlichen Anstieg der Kosten, was sich dann aber änderte. Über die dreieinhalb Jahre gerechnet, wären die Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik um 28 Prozent höher gewesen. Nicht eingerechnet sind da Steuereinnahmen für den Staat. Lehners Resümee: Je länger Jobgarantie besteht, desto besser wird das Verhältnis.

„Aus dem Jobgarantie-Projekt in Marienthal lässt sich sehr viel lernen“, meinte Minister Marterbauer. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei eine zentrale Aufgabe der Politik. Da müsse man „Experimente wagen und sich trauen, innovativ zu sein.“ 2026 und 2027 werde man mit der Aktion 55+ Arbeitsplätze in gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten und Sozialökonomischen Betrieben fördern. Auf die Frage, ob auch die Jobgarantie in Marienthal oder gar bundesweit wiederbelebt werde, meinte Marterbauer, dass „wir uns derzeit viele Projekte nicht leisten können, die zu Beginn hoher Investitionen bedürfen.“ Aber: „Das ist nicht das Ende der Geschichte.“

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