Die Verhandlung vor dem Schöffensenat läuft ab, als würde ein Lehrfilm für den Konsumentenschutz gedreht. Es geht um betrügerische mobilen Handwerkertrupps. Denn was geschädigte Zeugen am Landesgericht St. Pölten in der Verhandlung gegen eine vierköpfige rumänische Dachdeckerpartie schildern, zeugt von krimineller Kaltschnäuzigkeit, beinhartem Vorsatz und gekonnter Überrumpelungstaktik mit Betrugsabsicht.
Den in der Vorwoche auf freiem Fuß angereisten Angeklagten werden jedenfalls fünf schwere Betrügereien vorgeworfen. Vor den vier angeklagten Männern im Alter von 24 bis 49 Jahren, von denen drei in Rumänien gemeldet sind, sitzt eine 70-jährige Pensionistin aus Wiener Neustadt am Zeugenstuhl. Sie schildert, wie sie Anfang November 2021 ihre seit vielen Jahren bekannte Dachdeckerfirma verständigte, weil sie ein Nachbar aufmerksam gemacht hatte, dass am Dachfirst ihres Hauses ein Ziegel locker sei.
Anruf abgefangen
„Ich hab’ den Namen der Firma gegoogelt und eine Handynummer gefunden. Ich hab mich noch gewundert, dass sich ein Mann mit ausländischem Akzent meldete“, erzählt die Frau. Tatsächlich tauchten am nächsten Tag drei Handwerker beim Haus der Frau auf und nahmen sich des Schadens an. Noch immer hätten sie und ihr Mann gedacht, der Trupp komme von der vertrauten Firma aus der Bucklingen Welt, erzählt die Frau. Nur einer konnte mit dem Paar deutsch sprechen, er versicherte auch, dass die Reparatur nicht teuer sein werde.
Doch als der Mann nach der rund dreistündigen Arbeit plötzlich harsch 8.000 Euro verlangte, sei sie geschockt gewesen, erklärt die Rentnerin. Im Laufe der Diskussion um den offenen Lohn habe sie sich immer mehr bedrängt gefühlt und „ein mulmiges Gefühl bekommen“. Bis sie und ihr Mann 4.300 Euro, die sie daheim hatten, übergaben. Als Beleg hätten sie ein Gekritzel bekommen, schildert die Pensionistin.
Gegenüberstellung
Bei der anschließenden Gegenüberstellung im Gerichtssaal kann die Zeugin jedoch keinen der anwesenden vier teilweise bärtigen Männer mit dunklem Teint hundertprozentig wiedererkennen. Auch ihr Mann, der danach in den Zeugenstand tritt, ist den Schöffen in dieser Beziehung wenig Hilfe.
Noch schwieriger wird die Sache, weil ein DNA-Treffer, den die Polizei auf einem Zementsack gesichert hatte, zu keinem der vier Angeklagten passte, sondern auf einen 21-jährigen Bruder eines der Männer. Der war trotz Vorladung nicht zur Verhandlung erschienen und lag noch im Bett in seiner rumänischen Heimat, als der Anwalt der Gruppe telefonisch nachfragte, wo er denn sei.
Pfusch
Die verrichtete Arbeit am Dach schätzte später ein Sachverständiger als Pfusch ein. Das niederbetonieren von Dachziegel, wie es die Verdächtigen praktiziert haben sollen, sei nicht notwendig gewesen und werde den Geschädigten erst recht eine kostspielige Sanierung des Dachs bescheren, wie der Vorsitzende Markus Grünberger aus dem Sachverständigenbericht vortrug.
Informiert vom Dolmetscher, lehnten die Männer Aussagen ab und verwiesen, so wie schon bei einer ersten Verhandlung gegen sie im März auf ihren Anwalt. Alle vier hatten vor der Polizei behauptet, überhaupt nicht auf dieser Baustelle gewesen zu sein.
Noch schwieriger wird es dann für den Senat mit dem Auftritt der nächsten geschädigten Zeugin Einer 81-jährigen Pensionistin aus dem Weinviertel. Sie war von drei, vermutlich rumänischen Männern, dazu gedrängt worden, ihre Gartenhütte mit Blechprofiltafel neu decken zu lassen. 50 Euro koste eine der vier Platten, die die Männer auf das Mini-Dach schraubten, hatten sie vor der Dienstleistung erklärt. Sie habe mit 600 Euro für die Arbeit gerechnet, schildert die recht rüstige Dame.
11.000 Euro
Dann verlangte der Sprecher der Truppe forsch 11.000 Euro für wenge Stunden Arbeit und Material. Von ihm sei sie ständig bedrängt worden, nie habe sie die Chance gehabt, per Handy ihre Tochter zu verständigen, erzählt die Seniorin. Dann habe sie dem Trio 9.050 Euro, soviel sie eben daheim hatte, ausgehändigt. Das Geld war für ein neues Grab für ihren verstorbenen Mann gedacht gewesen.
Wie sich später herausstellte, war die getane Arbeit unfertig, unprofessionell und maximal 300 Euro wert. Anständig gemacht hätte die Arbeit maximal 1.600 Euro kosten dürfen, so ein Sachverständiger. Zwei Tage später nach dem Arbeitseinsatz tauchte einer der Verdächtigen wieder bei der Frau auf. Wie mit der Witwe vereinbart wollte er das restliche Geld holen. Diesmal gelang es der Alleinstehenden, die Polizei zu verständigen. Die Beamten schnappten dann am 1. November 2021 tatsächlich den Verdächtigen.
Verdächtiger Haupttäter
Den will die Frau dann auch eindeutig bei der Verhandlung am vergangenen Dienstag in St. Pölten wiedererkennen. „Ganz sicher, der ist es“, zeigt sie auf den Jüngsten der Angeklagten. Doch für den Senat ist das keine Hilfe: Denn jener junge Mann, den die Polizei vor zweieinhalb Jahren im Bezirk Hollabrunn schnappte, war ja gar nicht anwesend und lag noch im Bett in Rumänien.
Richter Grünberger musste erneut vertagen.
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