Schuldspruch wegen Mordes in Kaserne: Tumult nach Urteil vor Klagenfurter Gericht

Der Angeklagte beim Prozess
Zusammenfassung
- Prozess um den Tod eines 21-jährigen Soldaten in einer Kärntner Kaserne, der durch einen Schuss aus der Dienstwaffe eines Kameraden starb.
- Die Staatsanwältin klagt Mord an, während der Verteidiger von einem tragischen Unglück spricht.
- Das Verfahren findet unter großem öffentlichen Interesse statt, die Eltern des Opfers sind im Gerichtssaal anwesend.
"Es gibt immer ein Motiv", betont die Staatsanwältin gleich zu Beginn des Prozesses. "Auch wenn wir es in diesem Fall nicht kennen."
"Dieser Fall", das meint den Tod eines 21-Jährigen in einer Kaserne in Kärnten: Der Grundwehrdiener starb am 22. Oktober 2024 - ein Schuss aus der Dienstwaffe eines gleichaltrigen Soldaten traf ihn in der Brust.
Weshalb? Das sollte der Prozess klären, der am Mittwoch im Straflandesgericht Klagenfurt angesetzt ist. Die Staatsanwältin klagt Mord an, der Verteidiger spricht von einem "tragischen Unglück" und Verkettung "vieler unglücklicher Umstände".
Am Mittwochabend wurde der Angeklagte wegen Mordes schuldig gesprochen. Der junge Mann wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Die Geschworenen hatten mit acht zu null Stimmen entschieden, dass es sich bei der Tat um einen Mord gehandelt hatte. Richter Dietmar Wassertheurer, der dem Schwurgericht vorsaß, sagte, der Angeklagte habe sich wiederholt in Widersprüche verstrickt. "Die Tat war zwar nicht vorsätzlich geplant. Aber es war ausschlaggebend, dass Sie - trotz wiederholter Belehrung - die Waffe auf Ihr Opfer gerichtet und den Abzug bewusst betätigt haben." Damit hätte der Angeklagte "billigend in Kauf genommen", dass sein Opfer getötet wird.
Bei der Strafbemessung sei man im Fall des unbescholtenen Mannes im unteren Bereich geblieben: "Wir gehen davon aus, dass das schuld- und tatangemessen ist." Weder der Verteidiger des Angeklagten noch die Staatsanwältin gab eine Erklärung ab.
Was passierte im Wachzimmer?
Rund zwei Minuten waren die beiden Soldaten an jenem 22. Oktober allein im Wachzimmer der Türk-Kaserne in Spittal an der Drau: Der 21-Jährige Grundwehrdiener hatte Ausgangssperre und musste sich beim Offizier vom Tag melden.
Doch der war nicht da, im Wachzimmer saß aber ein anderer Soldat. Jener 21-Jährige, der nun vor Gericht steht und wegen Mordes angeklagt ist.
Was in diesen zwei Minuten gesprochen wurde, ist bisher unklar. Laut Anklägerin habe der Angeklagte aber plötzlich seine Dienstwaffe aus dem Holster genommen und den Abzug gedrückt - zwei Meter vom Kameraden entfernt.
"Hilfe, mich hat was gestochen"
Bekannt ist, dass der Wachsoldat am Tor ein Geräusch hörte. Da torkelte plötzlich der 21-Jährige aus dem Gebäude, stieß auf den Offizier vom Tag und rief laut Anklage: "Hilfe, mich hat was gestochen!" Danach brach der junge Mann zusammen.
Auf Videoaufzeichnungen des Kasernengeländes ist zu sehen, wie der Schütze wenige Minuten später aus dem Gebäude kommt, die Dienstpistole im Holster.
Sein Anwalt betont, sein Mandant werde sich der fahrlässigen Tötung schuldig bekennen, nicht aber des Mordes: "Er hat mit der Waffe eine Gefahrensituation geschaffen, was nicht passieren hätte sollen."
Aus dem Holster gefallen
Und bittet die Familie des Getöteten um Entschuldigung. "Wir gehen davon aus, dass es richtig blöd hergegangen ist", beschreibt der Verteidiger: Offensichtlich sei die Waffe aus dem Holster gefallen. "Er hat die Waffe erwischt und einfach fest zugepackt."
"Einen Knall gehört"
Und der Angeklagte selbst? Er verteidigt sich am Mittwoch damit, dass er im Zimmer "mit der Waffe herumgespielt" habe. Plötzlich sei er von dem Rekruten angesprochen worden, das habe ihn erschreckt: "Ich habe gemerkt, dass etwas fällt. Da habe ich nach gegriffen und einen Knall gehört."
Warum er dann aber die Patronenhülsen eingesammelt und auf dem Schreibtisch platziert habe, will der Richter von dem Mann wissen. Der Angeklagte hat darauf keine Antwort.
Schütze setzte Notruf ab
In der Verhandlung wird jenes Video gezeigt, das aus der Sicherheitsüberwachung des Vorplatzes zur Kaserne stammt: Darauf ist nicht nur das taumelnde Opfer zu sehen, sondern auch der Angeklagte - er geht zur Tür, wieder zurück ins Gebäude, wieder zur Tür. Schließlich sieht man ihn mit einem Handy, als er den Notruf absetzt: "Es ist jemand angeschossen worden aus Versehen, wir haben einen Verletzten da."
Das Schwurgerichtsverfahren ist für den gesamten Mittwoch angesetzt. Nach zweitündiger Beratung kommen die Geschworenen gegen 20.30 Uhr mit acht zu null Stimmen zum Schuldspruch: Zwölf Jahre Haft, nicht rechtskräftig, denn weder der Verteidiger noch die Staatsanwältin geben eine Erklärung ab. Zu oft habe sich der Angeklagte in Widersprüche verstrickt, sagt der Vorsitzende.
Tumulte
Die Eltern des getöteten jungen Rekruten sind ebenfalls beim Prozess: Sie sitzen im Zuschauerbereich des Schwurgerichtssaales und wollen hören, was der Angeklagte zu sagen hat. Sofort nach der Urteilsverkündung kam es zum Eklat: Zahlreichen Familienmitgliedern des Opfers mit türkischem Hintergrund war die Haftstrafe offensichtlich zu niedrig. Sie forderten lauthals eine höhere Strafe. Auf dem Weg nach draußen ging auch ein Desinfektionsspender zu Bruch.
Hitzige Stimmung vor Gericht
Vor dem Gerichtsgebäude hatten die wenigen Polizeibeamten, die den Prozess überwacht hatten, sichtlich Mühe, der Stimmung Herr zu werden, auch unter den Angehörigen selbst kam es zu Reibereien. Mehrere Polizeistreifen, auch Diensthundeführer, wurden zum Park vor dem Gerichtsgebäude beordert, wo sich die Lage dann relativ rasch beruhigte.
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