Kärntner Gericht sprach Russen 24 Jahre nach Bluttat in Moskau frei

Kärntner Gericht sprach Russen 24 Jahre nach Bluttat in Moskau frei
Ein 45-Jähriger nach einer tödlichen Schlägerei in Russland als Verdächtiger im Jahr 2001 nach Österreich geflohen.

Ein 45-jähriger Russe ist am Dienstag am Landesgericht Klagenfurt 24 Jahre nach einem tödlichen Messerstich vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden.

Dem Mann war vorgeworfen worden, im Jahr 2001 bei einer Lokalschlägerei in Dimitrovgrad, einer Stadt östlich von Moskau, einen Mann mit einem Messer erstochen zu haben. Das Verfahren war in Österreich abgewickelt worden, weil die Behörden eine Auslieferung an Russland abgelehnt hatten.

Die Geschworenen hatten nach kurzer Beratung einstimmig, mit acht zu null Stimmen, auf einen Freispruch entschieden. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, das Urteil war damit vorerst nicht rechtskräftig.

Streit mit mehreren Beteiligten

Am 9. Juli 2001 war ein junger Mann durch einen Bauchstich mit einem Messer mit zumindest zwölf Zentimeter Klingenlänge getötet worden. Zuvor habe es einen Streit mit mehreren Beteiligten gegeben. Der Angeklagte, so der Vorwurf, habe seinem Freund, auf den eingeprügelt wurde, helfen wollen und habe zugestochen. Das Opfer, ein junger Mann, erlitt schwere innere Verletzungen und starb noch am selben Tag. Als der Angeklagte erfuhr, dass er gesucht werde, sei er geflüchtet.

2021 brachte ein Abgleich von Fingerabdrücken den Mordverdacht auf den Asylberechtigten, der unter einem neuen Namen unbescholten in Villach lebt. Als Russland die Auslieferung des Mannes forderte, lehnten das die österreichischen Behörden ab. Darauf beriefen sie sich auf ein Gutachten, in dem festgestellt wurde, dass speziell Angehörige der Volksgruppe des Angeklagten - der 45-Jährige ist Tschetschene - kein faires Verfahren in Russland erwarten könnten.

Angeklagter: "Zu Unrecht beschuldigt"

Der Angeklagte hatte erklärt, dass er glaube, dass man ihm die Tat in die Schuhe schieben wolle. Sein Freund sei in dem Lokal schwer misshandelt worden, er habe ihm helfen wollen. Das sei gelungen, die beiden seien gemeinsam aus dem Lokal geflohen. Seine Theorie: Er selbst hätte das Opfer der Messerattacke werden sollen, der Stich habe aus Versehen den Kontrahenten getroffen. Er habe erst am nächsten Tag erfahren, dass jemand bei der Schlägerei erstochen worden war und er selbst als Verdächtiger galt, so der Angeklagte. Das sei auch der Grund für seine Flucht gewesen.

In der Verhandlung am Dienstag - der erste Prozesstag hatte vor mehr als einem Jahr stattgefunden - wurden die Aussagen von vier Zeuginnen und Zeugen verlesen. Eine Videokonferenz mit den russischen Behörden, bei der die Zeugen befragt hätten werden sollen, wurde trotz mehrmaliger Versuche nicht zustande gebracht. Wie ein IT-Mitarbeiter sagte, sei ein Zustandekommen der Verbindung aus technischen Gründen unmöglich gewesen.

Widersprüchliche Zeugenangaben

Die Zeugen hatten unterschiedliche Angaben gemacht - wie der Angeklagte zugestochen habe, wollte aber niemand direkt gesehen haben. Die Leiterin des Lokals hatte beispielsweise erst bei ihrer dritten Aussage vor der Polizei den Angeklagten als Täter identifiziert. Verteidiger Hans Gradischnig sprach in seinem Plädoyer gravierende Widersprüche bei den Zeugenaussagen an - zwischen den Befragungen seien teilweise fast 20 Jahre vergangen.

Der Anwalt verwies außerdem auf die "negative Einstellung weiter Teile der russischen Bevölkerung bis hin zu den Behörden" gegenüber Tschetschenen: "Hätte Österreich ihn ausgeliefert, wäre das gleichbedeutend mit seinem Tod gewesen." In Österreich hingegen sei garantiert, dass sein Mandant ein faires Verfahren bekomme. In diesem sei es schließlich nicht gelungen, seinem Mandanten eine Schuld nachzuweisen.

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