Geschenk der Kaiserin? Warum es das "Fuchs-Schlößchen" nie gegeben hat

Geschenk der Kaiserin? Warum es das "Fuchs-Schlößchen" nie gegeben hat
Die Geschichte vom Geschenk der Kaiserin Maria Theresia an ihre Erzieherin ist eine immer noch populäre Legende. Tatsächlich gewohnt hat hier Hugo von Hofmannsthal, der Schöpfer des „Jedermann“.

Spaziert man durch Rodaun am Stadtrand von Wien, bleibt man unweigerlich an einer denkmalgeschützten Villa in Schönbrunnergelb mit einer Tafel und dieser Inschrift stehen: „Hofmannsthal-Schlössel Ehemaliges Schlößchen Fuchs“. Warum, fragen sich viele Ausflügler, wurde der Name des Hauses von Fuchs auf Hofmannsthal geändert?

In Geschichtsbüchern und Wien-Lexika ist nachzulesen, dass Kaiserin Maria Theresia das im 18. Jahrhundert erbaute Schloss ihrer ehemaligen Erzieherin Gräfin Fuchs geschenkt hätte. Aber ist das wirklich wahr? Tatsächlich gewohnt hat hier der Dichter Hugo von Hofmannsthal.

Geschenk der Kaiserin? Warum es das "Fuchs-Schlößchen" nie gegeben hat

Ketzergasse 471

Also, wie wurde das Fuchs-Schlößchen zum Hofmannsthal-Schlössel?

Um das zu erfahren, besuchte ich letztens das vornehme Herrenhaus in Wien 23., Ketzergasse 471, dessen Mitbesitzer Georg Czedik-Eysenberg mir freundlich Auskunft erteilte: Die Liegenschaft wurde 1786 von einem seiner Vorfahren in der damaligen Badgasse erworben und befindet sich heute noch im Familienbesitz. Und das in achter Generation! 1901 mietete sich Hofmannsthal mit Ehefrau Gertrude und drei Kindern in dem Schlössel ein und schrieb hier neben seinem „Jedermann“ auch die Libretti zu den Richard-Strauss-Opern „Rosenkavalier“ und „Arabella“.

Hofmannsthal blieb 28 Jahre im Schlössel, in dem er prominente Schriftstellerkollegen wie Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Hermann Bahr und Rainer Maria Rilke empfing. Sie alle wurden durch das elegante Haus geführt und von Hofmannsthal persönlich über frühere Eigentümer und Bewohner informiert. Doch von Maria Theresia und einer Gräfin Fuchs war keine Rede. Die waren auch niemals da.

Geschenk der Kaiserin? Warum es das "Fuchs-Schlößchen" nie gegeben hat

Dramatische Umstände

Hugo von Hofmannsthal starb am 15. Juli 1929 unter dramatischen Umständen in dem Schlössel. Zwei Tage davor hatte sich sein 26-jähriger Sohn Franz in seinem Zimmer das Leben genommen, nun wollten die Eltern gerade das Haus verlassen, um den geliebten Sohn auf dem Kalksburger Friedhof zu beerdigen. Da erlitt der 55-jährige Schriftsteller einen Schlaganfall und starb.

Nach Hofmannsthals Tod blieb seine Witwe bis 1938 im Schlössel, ehe sich während des Krieges die Romanautorin Maria Grengg einmietete. Sie war es wohl auch, die den Mythos vom „Fuchs-Schlößchen“ in die Welt setzte. Maria Grengg war glühender Hitler-Fan und zeigte Wiens Nazi-Prominenz das Schloss. Den „illustren“ Gästen etwas über ihren Vormieter, den „Juden Hofmannsthal“ zu erzählen, wäre damals nicht gut angekommen, also erfand sie eine neue Geschichte: die vom Geschenk der Kaiserin an die Gräfin Maria Karolina Fuchs.

Kaiserliche Erzieherin

Besagte Gräfin gab es wirklich, und sie spielte eine wichtige Rolle in Maria Theresias Leben. 1675 in Wien als Maria von Mollard geborenen, heiratete sie den Grafen Christoph Ernst Fuchs, nach dessen Tod sie 1728 als Erzieherin der gerade elfjährigen Erzherzogin Maria Theresia an den kaiserlichen Hof geholt wurde. Zwischen der „Fuchsin“, wie Maria Theresia sie liebevoll nannte, und der späteren Monarchin entwickelte sich eine innige Freundschaft, die dazu führte, dass die Gräfin zur Obersthofmeisterin und wichtigsten Beraterin der Kaiserin wurde.

Geschenk der Kaiserin? Warum es das "Fuchs-Schlößchen" nie gegeben hat

Georg Czedik-Eysenberg, heute Mitbesitzer des Schlosses

Spuren, die es nie gab

Nach ihrem Tod im Jahr 1754 wurde die Gräfin Fuchs auf ausdrücklichen Wunsch der Kaiserin als einzige Person, die nicht dem Haus Habsburg angehörte, in der Kapuzinergruft beigesetzt. Doch auch wenn die Gräfin fast wie ein Familienmitglied behandelt wurde, steht fest, dass Maria Theresia ihr kein Schloss geschenkt hat, es somit kein „Fuchs-Schlößchen“ gibt und je gegeben hat.

Während die Legende vom generösen Geschenk an die Gräfin Fuchs-Mollard anfangs nur mündlich überliefert wurde, ist sie seit 1950 „amtlich“. Da schrieb Maria Grengg nämlich im Pfarr- und Heimatbuch der Pfarre Rodaun einen Beitrag über das „Maria-Theresien-Schlößl“. Nun war Frau Grengg der Name Fuchs wohl nicht mehr prominent genug, weshalb die Kaiserin als Namensgeberin für die noble Immobilie herhalten musste. Ohne irgendeinen Beweis zu liefern, behauptete Maria Grengg, dass „die Fuchsin gerne und oft hier gewesen sein muss, denn von ihrem Aufenthalt fanden sich bis auf die allerletzte Zeit noch Spuren im Haus“. Spuren freilich, die es vermutlich nie gegeben hat.

Die Leserschaft des Rodauner Pfarr- und Heimatbuches war Maria Grengg offenbar nicht groß genug, denn zwei Jahre später lud sie die Journalistin Rose Poor-Lima zu sich ein, worauf diese in der Neuen Wiener Tageszeitung vom 14. November 1952 ihren Besuch im Fuchs-Schlößchen schilderte und dessen Chronik weiter ausschmückte. „Man wundert sich“, schreibt sie, „dass ein Bau mit einer auf Maria Theresia zurückreichenden erlauchten Geschichte ganz der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit entgangen“ sei.

Ein Blick ins Grundbuch

Sobald man allerdings weiß, dass an der „erlauchten Geschichte“ absolut nichts dran ist, wundert man sich schon weit weniger.

Maria Grengg wohnte bis zu ihrem Tod im Jahr 1963 in dem von ihr fälschlich Fuchs- und Maria-Theresien-Schlößl benannten Gebäude. Vor etwa 20 Jahren kam dann der damaligen Mitbesitzerin Gerda Czedik-Eysenberg die Legende von Maria Theresias Geschenk an die Gräfin Fuchs „spanisch“ vor. „Meine Mutter“, sagt der heutige Hausherr, „ging ins Archiv der Stadt Wien und ließ die alten Grundbücher ausheben, in denen alle Vorbesitzer vermerkt sind.“ Und siehe da: Weder Maria Theresia noch die Gräfin Fuchs tauchen hier auf, was danach von den Literaturwissenschafterinnen Katja Kaluga und Katharina J. Schneider bestätigt wurde.

Was nichts daran ändert, dass die Legende vom kaiserlichen Schlössel-Geschenk immer noch erzählt wird und in Chroniken nachzulesen ist.

Wien bleibt eben Wien.

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