Immer wenn ein Geburts- oder Todestag Antonio Salieris gefeiert wird, taucht die alte Geschichte auf, dass er Mozart ermordet hätte. Die Geschichte ist aber auch zu schön, um wahr zu sein: Hier das Genie Mozart, dort der weniger begabte Salieri, der ihm den Erfolg neidet und ihn daher vergiftet. Da nun Salieris 200. Todestag naht, sind die alten Gespenster wieder da.
Die Mordgeschichte wäre vielleicht schon vergessen, hätte Peter Shaffer nicht 1979 das Theaterstück „Amadeus“ verfasst, nach dem der Regisseur Miloš Forman den gleichnamigen Film drehte. Die Aussage beider Publikumserfolge: Salieri hat Mozart umgebracht! Das reichte auch 200 Jahre nach Mozarts Tod noch für Schlagzeilen, für acht Oscars und in der Folge für Falcos Welthit „Rock Me, Amadeus“.
Die Mordthese ist zum ersten Mal nach Mozarts Tod im Jahr 1791 aufgetaucht, verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wurde von Salieri selbst für absurd erklärt. Es gilt die Unschuldsvemutung.
W. A. Mozart stand in gutem Kontakt zu seinem Rivalen.
Richtig ist, dass Wolfgang Amadeus Mozart und Antonio Salieri in Konkurrenz zueinander standen und dass Salieri wusste, dass Mozart der Bedeutendere war. Ein Beleg dafür: Als Salieri von Lorenzo Da Ponte das Textbuch von „Così fan tutte“ erhielt, hat er es nicht vertont – angeblich weil er erfahren hatte, dass Mozart an dem Stoff interessiert war.
Dennoch war Mozart am Wiener Hof nur als Kammermusicus angestellt, während Salieri den einflussreicheren und besser dotierten Posten als Hofkapellmeister innehatte. Der Grund dafür: Kaiser Joseph II. hielt Salieri für den größeren Musiker, und der heute zwar wieder, aber doch weit weniger aufgeführte Salieri war damals tatsächlich berühmter und erfolgreicher als sein Konkurrent.
Wie sehr Salieri vom Kaiser geschätzt wurde, belegt eine Episode, die in dem eben erschienenen Salieri-Buch „Neuentdeckung eines Verkannten“ geschildert wird: Der 24-jährige Salieri verliebte sich in die Wienerin Theresia Helferstorfer, doch ehe er bei deren Vater um ihre Hand anhalten kann, ist der Vater gestorben. Nun musste er sich an Theresias Vormund wenden, doch der wollte sie selbst heiraten und behauptete daher, Salieri verdiene zu wenig. Als dies Joseph II. zu Ohren kam, erhöhte er Salieris Gehalt, worauf einer Hochzeit nichts mehr im Wege stand.
Salieri war am 18. August 1750 in dem italienischen Städtchen Legnago in der Republik Venedig zur Welt gekommen und mit 15 Jahren, nach dem frühen Tod seiner Eltern, nach Wien übersiedelt, wo er und Mozart einander kennen lernten. Höhepunkt ihrer Auseinandersetzungen war ein Komponistenwettstreit im Februar 1786, bei dem im Schloss Schönbrunn in Anwesenheit des Kaisers je ein Werk der Beiden aufgeführt wurde. Obwohl Mozarts Oper „Der Schauspieldirektor“ weit überlegen war, endete die Konfrontation mit einem „unentschieden“.
Der Kaiser hielt Antonio Salieri für den bedeutenderen Musiker.
Eine erst kürzlich wiederentdeckte Kantate ist als Gemeinschaftswerk Mozarts und Salieris entstanden. Diese Komposition war möglicherweise deshalb so lange verschollen, weil Geschichtsfälscher es nicht zulassen wollten, dass die beiden ,Feinde“ zusammengearbeitet haben.
Da Salieri nur sechs Jahre älter war als Mozart, wusste das Genie, dass er dessen Position nie erhalten würde. Mozart litt darunter und bewarb sich immer, wenn der kränkliche Vizekapellmeister Hofmann ausfiel, um die Stelle als Salieris Stellvertreter – ohne je berücksichtigt zu werden. Es ist durchaus möglich, dass Salieri da seine Hände mit im Spiel hatte. Doch für einen Mord reichte das sicher nicht.
Ein gutes Verhältnis
Im Übrigen haben die Beiden einander gut verstanden und geachtet. Es gibt sowohl Zitate von Salieri als auch von Mozart, die das bezeugen. Als Salieri eine Vorstellung der „Zauberflöte“ besuchte, gab es keine Nummer, nach der er nicht „Bravo“ gerufen hätte.
Mozarts Witwe Constanze kannte keinen Groll gegen Salieri und beschäftigte ihn nach dem Tod ihres Mannes als Musiklehrer ihres jüngeren Sohnes Franz Xaver Mozart. Salieri unterrichtete Mozart junior unentgeltlich und bescheinigte, dass Franz Xaver ein „seltenes musikalisches Talent“ besitze und ein „exzellenter Klavierspieler“ sei.
Es ist auszuschließen, dass Mozarts Witwe Salieri als Musiklehrer ihres Sohnes zugelassen hätte, selbst wenn nur der geringste Verdacht bestanden hätte, dass Salieri auf ihren Mann auch nur eifersüchtig oder gar froh gewesen wäre, mit ihm einen Konkurrenten losgeworden zu sein.
Antonio Salieri überlebte Mozart um 34 Jahre und starb am 7. Mai 1825 im Alter von 75 Jahren in geistiger Umnachtung in Wien.
Buch Tipp
Markus Böggemann (Hrg.) Antonio Salieri, „Neuentdeckung eines Verkannten“, Böhlau Verlag, 2025.
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