Kongeniale Ehefrau
Als Arzt und hochmusikalischer Organist unternahm er Konzert- und Vortragsreisen, wodurch er Geld und Medikamente für seinen Traum aufbrachte, in Lambaréné im damaligen Französisch-Äquatorial-Afrika (heute Gabun) ein Missionsspital zu gründen. Und in Helene geb. Bresslau fand er eine kongeniale Partnerin, die als Krankenschwester, Lehrerin und engste Vertraute ab 1913 mit ihm gemeinsam die Klinik aufbaute.
Zunächst im Hühnerstall
Das Spital war zunächst in einem fensterlosen Hühnerstall untergebracht und konnte dank beharrlichen Spendensammelns durch das Ehepaar Schweitzer zum Urwaldkrankenhaus ausgebaut werden, das bis zu 600 Betten fasste. Und das in einer Region, in der es bis dahin kaum eine ärztliche Versorgung gab.
Schweitzers Projekt schien bereits nach kurzer Zeit beendet, zumal französische Kolonialtruppen bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs ihn und seine Frau als „feindliche Deutsche“ internierten. Doch er nahm sein medizinisches Wirken 1924 wieder auf und erweiterte das Hospital von Lambaréné kontinuierlich, sodass es bei seinem Tod 1965 aus mehr als 70 Gebäuden und einem Dorf für Leprakranke bestand.
Albert Schweitzer selbst führte mit vier weiteren Ärzten, zwölf diplomierten Krankenschwestern und vielen Hilfskräften Operationen und Geburten durch, er behandelte Malaria, Fußgeschwüre, Leistenbrüche, Tuberkulose und kümmerte sich persönlich um den Erhalt von Lebensmitteln für seine Patienten.
Ein Mann seiner Zeit
Auch wenn er den Kolonialismus als „große Schuld, die auf unserer Kultur lastet“, anprangerte, war Albert Schweitzer ein Mann seiner Zeit, dessen Methoden und Ansichten aus heutiger Sicht kritisch hinterfragt werden. So bezeichnete er die Schwarzafrikaner als „Primitive“ und „Wilde“, führte in seinem Spital ein autoritäres Regime, in dem sich alles seinem Kommando unterzuordnen hatte und nahm es mit Hygiene und Funktionstüchtigkeit der zum Teil überalterten Instrumente und Gerätschaften nicht so genau. In einem Fall wurde ihm vorgeworfen, einen Verwundeten mit einem Medikament behandelt zu haben, das wegen des hochgiftigen Quecksilbergehalts abzulehnen ist.
Nach Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933 versuchte Propagandaminister Joseph Goebbels den zu diesem Zeitpunkt bereits weltberühmten „Urwalddoktor“ als Aushängeschild für die Nationalsozialisten zu gewinnen. Er lud Albert Schweitzer ein, nach Berlin zu kommen, wobei Goebbels den Brief „mit deutschem Gruß“ unterzeichnete. Schweitzer, der längst vor Hitler gewarnt hatte und dessen Frau Jüdin war, sagte höflich ab und unterschrieb seinen Brief „mit zentralafrikanischem Gruß“.
Weltweite Popularität
Nach dem Krieg war Albert Schweitzer so populär, dass Scharen von Journalisten aus aller Welt in den Dschungel pilgerten, um in großen Zeitungs-, Wochenschau- und Fernseh-Reportagen über den charismatischen Dreifachdoktor mit Tropenhelm und buschigem Schnauzbart zu berichten.
Als Meister der Selbstinszenierung nützte Schweitzer seine Prominenz, um sich gemeinsam mit Albert Einstein und anderen hochrangigen Wissenschaftern für die Einstellung von Atomtests einzusetzen. Für diese Initiative wurde dem bekennenden Pazifisten und Weltbürger, als der sich Albert Schweitzer sah, 1952 der Friedensnobelpreis zuerkannt. Sein Engagement führte aber auch dazu, dass er – in den USA als „Kommunist“ verteufelt – von CIA-Agenten bespitzelt wurde. Schweitzers größter politischer Triumph war 1963 das internationale Abkommen zur Untersagung von Atomtests.
Der Arzt von Lambaréné starb, bis zuletzt unermüdlich in seinem Urwaldspital tätig, am 4. September 1965 im Alter von 90 Jahren.
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