Zehn Jahre nach der Tragödie: 71 Menschen erstickten in Lkw

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Der August ist jener Monat, in dem sich vor zehn Jahren eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Flüchtlingsbewegungen ereignete.

Am 27. August 2015 entdeckte ein Mitarbeiter der Asfinag auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf einen abgestellten Kühl-Lkw in einer Pannenbucht. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Defekt wirkte, entpuppte sich als grausamer Fund: Im Laderaum des etwa 7,5 Tonnen schweren Fahrzeugs befanden sich die Leichen von 71 Menschen.

Die Opfer stammten aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran. Unter ihnen waren auch mehrere Kinder, ganze Familien. Ermittler fanden später heraus, dass die Flüchtlinge auf engstem Raum in einem luftdicht abgeschlossenen Laderaum ums Überleben gekämpft hatten – vergeblich.

Laut burgenländischer Justiz betrug das Zeitfenster, in dem ein Überleben möglich gewesen wäre, nicht mehr als drei Stunden. Danach setzte der qualvolle Erstickungstod ein.

Die Rettungskräfte standen vor einer gespenstischen Szenerie. Es dauerte Tage, bis alle Leichen aus dem Fahrzeug geborgen waren, und Monate, bis ihre Identitäten geklärt werden konnten. Für die Helfer war es ein Einsatz, der sich tief ins Gedächtnis eingebrannt hat.

Anklage in Ungarn

Obwohl die Tragödie auf österreichischem Boden ans Licht kam, übernahmen die ungarischen Behörden die Ermittlungen und die Anklage. Grund dafür war, dass die Flüchtlinge an der ungarisch-serbischen Grenze in den Lkw gebracht worden waren und noch auf ungarischem Staatsgebiet starben. Zuständig war die Staatsanwaltschaft in Kecskemet, jener Stadt, in der der Lkw seine Fahrt begonnen haben dürfte. Die Haupttäter – Schlepper, die Teil eines internationalen Netzwerks waren – wurden in Ungarn zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Das Gericht stellte klar: Die Angeklagten waren sich bewusst, dass die Menschen in dem hermetisch verschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten auch, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Trotzdem entschieden sie sich, das Risiko einzugehen, um unentdeckt zu bleiben. „Das Leben der 71 Menschen war weniger wichtig als ihr Untertauchen“, hieß es im Urteil.

Die Tat sorgte weltweit für Entsetzen und wurde zu einem Symbol der damaligen Flüchtlingskrise. Nur wenige Tage nach dem Fund erreichte die Migrationsbewegung ihren Höhepunkt.

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