Was ein traumhafter Urlaub zum zweiten Hochzeitstag werden sollte, wurde zum Horrortrip. Raphaela S. eine 34-jährige Baumeisterin aus dem Nordburgenland, erzählte dem KURIER von einem regelrechten Martyrium, das sie und ihre Ehefrau Marie am vergangenen Wochenende in Abu Dhabi erlitten haben - in der Hoffnung, dass anderen Menschen Ähnliches erspart bleibt.
Die Namen wurde für diesen Artikel geändert. Aus Sorge vor Hasspostings möchte das Paar anonym bleiben.
Am vergangenen Freitag kam das Ehepaar S. mit Verspätung um 21.30 Uhr am Flughafen Abu Dhabi an. Die Passkontrolle verlief noch unauffällig. Bei der Gepäckausgabe trennte sich das Paar kurz: Marie wartete auf die Koffer, Raphaela ging voraus.
Als ihre Gattin Marie mit dem Gepäck folgte, war Raphaela plötzlich verschwunden.
Marie S. ließ ihre Frau mehrmals am Flughafen ausrufen - vergebens. Danach machte sie sich auf den Weg zum gebuchten Hotel – in der Annahme, dass sie vielleicht schon dort sei.
Tatsächlich war Raphaela S. aber nach wie vor am Flughafen. "Mehrere Polizeibeamte haben mich gepackt, ich habe sofort laut nach meiner Frau geschrien. Dann glaube ich, dass mir fest auf den Kopf geschlagen wurde. Ich wurde ohnmächtig und bin erst auf einer Polizeistation wieder aufgewacht", schildert Raphaela S. ihre Erlebnisse.
Im Schock habe sie sich gewehrt – woraufhin ihr Handschellen an Händen und Füßen angelegt und sie an einen Stuhl gefesselt wurde.
Schläge auf den Körper und ins Gesicht
Ein Grund für diese Folter wurde der 34-Jährigen nicht genannt. Für Raphaela S. ist der Fall aber klar: "Weil ich mit einer Frau verheiratet bin, war ich 15 Stunden eingesperrt, sieben davon gefesselt." Immer wieder sei sie gefragt worden, wo ihr Reisepass und ihr Mobiltelefon seien. Sie antwortete, dass ihre Frau diese Gegenstände bei sich hätte.
Was Raphaela S. nicht wusste: Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme hatte sie ihr Handy noch bei sich, das hatten mittlerweile aber die Behörden an sich genommen. Über den Notfallkontakt dürften die Polizisten bereits mit der Ehefrau im Hotel in Kontakt getreten sein. Marie S. wurde aufgefordert, den Reisepass ihrer Gattin Raphaela zum Flughafen zu bringen, dann würde sie freikommen.
Als sie der Forderung nachkam und den Reisepass abgab, soll auch Marie S. Opfer eines Übergriffs geworden sein: Sie erzählt von sexueller Belästigung und einem Faustschlag ins Gesicht durch einen Zivilbeamten. Danach fuhr sie mit dem Taxi ins Hotel zurück – ohne Raphaela S.
Dieser wurde auf der Polizeistation in der Zwischenzeit ein Angebot unterbreitet: Gegen die Zahlung von umgerechnet 1.000 Euro und verschiedener Unterschriften würde sie freikommen. "Klar hab' ich unterschrieben, damit ich gehen kann", sagt Raphaela S. Der Inhalt der auf Arabisch verfassten Dokumente wurde für sie nicht übersetzt.
Erst am Samstagnachmittag – und damit mehr als 15 Stunden nach ihrer Festnahme - wurde Raphaela S. freigelassen. Sie lief zum nächstgelegenen Taxistand und fuhr zu ihrer Frau ins Hotel. Dort nahmen die beiden Kontakt mit der österreichischen Botschaft auf und hielten Raphaelas Verletzungen auf Fotos fest. Für den nächsten Tag wurde ein Rückflug von Dubai nach Wien organisiert, den die 34-Jährige unter Schmerzen durchstand.
Körperlicher, psychischer und finanzieller Schaden
Nach der Landung in Wien führte der erste Weg ins AKH, wo die Verletzungen erstmals ärztlich versorgt und festgehalten wurden. S. trug unter anderem ein blaues Auge, eine Platzwunde über dem rechten Auge und zahlreiche Blutergüsse davon. Bleibende körperliche Schäden sind nicht zu befürchten. Auf der psychischen Ebene sieht es anders aus. "Ich kann nicht einschlafen, habe deshalb um psychologische Betreuung angesucht", klagt die 34-Jährige.
Die 34-Jährige trug mehrere Blessuren davon, die sie während der Tortur erlitten hatte.
Hinzu kommt ein finanzieller Schaden von mehr als 6.000 Euro: 4.000 für den - letztlich nicht konsumierten - Urlaub, 1.000 Euro "Kaution" und nochmal mehr als 1.000 Euro für den Heimflug und Taxifahrten.
Abu Dhabi: Ein Bussi als Foltergrund?
Raphaela S. war bereits zum vierten Mal in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Bisher habe sie positive Erfahrungen in dem Land gemacht, sagt sie. Dieses Mal aber sei sie Opfer einer homophoben Attacke geworden, ist das Paar überzeugt.
Auf die Frage, ob sie und ihre Frau gegen die strengen Verhaltensregeln in dem arabischen Staat verstoßen hätten, antwortet die 34-Jährige: "Ob wir uns ein Bussi gegeben haben, kann ich nicht mehr sagen. Ganz sicher haben wir uns an der Hand genommen, um uns am Flughafen nicht zu verlieren."
Wann und ob es eine Entschädigung für die traumatischen Erlebnisse geben wird, ist ungewiss. Weit wichtiger ist dem Paar aber, andere zu warnen: "Das Einzige, was ich will, ist Gerechtigkeit. Jeder, der homosexuell ist, muss wissen, wie man dort behandelt wird."
Ein rechtliches Vorgehen gegen Organe der VAE scheint jedenfalls ausgeschlossen - da Homosexualität in dem Land schlicht illegal ist und mit Gefängnisstrafen oder sogar der Todesstrafe geahndet wird.
Außenministerium: "Betroffene bestmöglich zu unterstützen"
Das Außenministerium versichert auf KURIER-Nachfrage, dass das Ehepaar S. nach Kräften unterstützt worden sei: "Die Österreichische Botschaft in Abu Dhabi stand nach Bekanntwerden der Verhaftung umgehend mit der Betroffenen in Kontakt, um sie rasch und bestmöglich zu unterstützen. So wurde etwa sofort der Kontakt zum Vertrauensarzt hergestellt und die Betroffene bei der raschen Ausreise unterstützt. Ebenso hat die Botschaft umgehend die Behörden der VAE kontaktiert und die Kontaktdaten des Vertrauensanwaltes der Botschaft an die Betroffene weitergegeben", lässt Pressesprecherin Alena Baur wissen.
Nachsatz: "Das Außenministerium empfiehlt nachdrücklich allen Reisenden, sich vor Reiseantritt über die Gesetze, Sitten und Gebräuche im Reiseland zu informieren; die länderspezifischen Reiseinformationen, so auch zu den Vereinigten Arabischen, sind auf unserer Website zu finden."