Österreichs fitteste Frau: "Fühle mich extrem weiblich"
Von Vanessa Halla
Perfektes Timing sieht anders aus. Am Tag vor dem Interview mit dem KURIER zieht sich Vanessa Wagner eine Schulterverletzung zu. Nicht etwa beim Gewichte stemmen, sondern beim Mountain Biken.
„Das ist bitter, ja. Aber mit Verletzungen habe ich viele Erfahrungen gemacht. Ich gebe mir selbst Zeit, um wütend oder traurig darüber sein zu dürfen. Dann ist aber auch gut und ich erstelle einen neuen Plan. Diesmal möchte ich in acht Wochen wieder ins normale Training einsteigen und diesem Plan, diesem Ziel folge ich jetzt“, erklärt die offiziell dreimalige fitteste Frau Österreichs sich und auch ihre sportlichen Erfolge damit gleich selbst.
Vanessa Wagner stammt aus Oberdorf im südlichen Burgenland. Sie ist 33 Jahre alt, studierte Sportwissenschafterin, Personal Trainerin und Österreichs erfolgreichste Athletin in der Sportart CrossFit. „CrossFit ist ein bunter Mix aus sehr vielen Sportarten. Du sitzt am Rudergerät, am Rad, du läufst und stemmst oder bewegst teils sehr schwere Gewichte und hast obendrauf noch gymnastische Elemente. Ich liebe diese Abwechslung.“
Schlechte Verliererin
Als die Profisportlerin im Jahr 2015 mit ersten Trainingseinheiten beginnt, steckt CrossFit noch in den Kinderschuhen. „Dass ich Talent habe, aber vor allem die körperlichen Voraussetzungen mitbringe, war meinem damaligen Trainer schnell klar. Außerdem bin ich extrem ehrgeizig und stur und war nie gut im Verlieren – perfekte Voraussetzungen also, um an Wettkämpfen teilzunehmen.“
CrossFit, das bedeutet, immer wieder ans Limit zu gehen. Im Kopf und mit dem Rest des Körpers. „Dort weiter oder sogar schneller machen, wo man glaubt es geht nicht mehr, das sind zugleich die schlimmsten und schönsten Momente. Weil sie dich an einen Punkt bringen, wo es wirklich, wirklich weh tut. Aber der Stolz, wenn man dann etwas geschafft hat, von dem man selbst nicht dachte, dass man dazu in der Lage ist, ist ein unglaublich schönes und ermächtigendes Gefühl.“
Sportfreie Tage wichtig
Auch nach neun Jahren in der Sportdisziplin ist die 33-Jährige immer noch erfolgreich bei Bewerben – das Mindset hat sich allerdings verändert, wie sie verrät: „Früher habe ich sechs Mal pro Woche drei Stunden täglich trainiert. Mittlerweile sind mir zwei trainingsfreie Tage wichtig, damit der Spaß dabei nicht verloren geht.“ Vanessa Wagner sieht man ihren sportlichen Ehrgeiz natürlich auch an. Dass ihr durchtrainierter Körper nicht nur für Blicke, sondern auch für Gesprächsstoff sorgt, ist der Sportlerin bewusst.
- CrossFit ist ein Kraft- und Koordinationstraining bei dem sowohl mit Gewichten als auch dem Körpergewicht trainiert wird. Jedes Training sieht dabei anders aus, kein Ablauf gleicht dem anderen. Ziel ist es, die Trainierenden in verschiedenen Fitnessdisziplinen ausgewogen zu entwickeln: Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit, Balance, Koordination und Genauigkeit.
- In Österreich ist CrossFit kein anerkannter Verbandssport, dennoch gibt es in der Sportszene bekannte Großevents.
- Vanessa Wagner gilt seit Jahren als Österreichs Speerspitze der Sportart bei den Frauen. Die 33-Jährige ist in Oberdorf im Bezirk Oberwart aufgewachsen.
Wagner hat drei Mal den Titel „Fittest in Austria“ gewonnen und hat sich mehrmals für die Semifinals/Regionals und die CrossFit Games (in etwa gleichzusetzen mit Europa- und Weltmeisterschaften) qualifiziert und daran teilgenommen.
Schönheitsideal
„Ich entspreche keinem Schönheitsideal, da erntet man auch mal Blicke, als wäre man ein Alien“, kann sie darüber lachen. Weniger lustig findet sie, „dass fremde Männer mir oft ungefragt auf den Oberarm greifen, um meinen Bizeps zu fühlen. Das ist wie Teil einer Freak-Show zu sein und geht gar nicht. Bei einem gemachten Busen würde das auch keiner einfach so machen.“
Ihr Bizeps oder Sixpack stehen für Vanessa Wagner in keinerlei Widerspruch zur Weiblichkeit, im Gegenteil: „Früher war ich nur auf Leistung getrimmt und mein definierter Körper eher ein Beiwagerl, ein Resultat der vielen Trainingseinheiten. Heute finde ich es cool und schön, wie ich aussehe und das feiere ich, auch weil ich weiß, dass ich nicht immer so ausschauen werde. Ich fühle mich extrem weiblich, auch in meiner Arbeitskleidung, also in Sportoutfits. Und wenn ich mal High Heels trage, dann zelebriere ich das richtig.“
CrossFit ist Unisex
Im Sport selbst sieht sich Wagner wiederum stets auf Augenhöhe mit dem vermeintlich „stärkeren Geschlecht“. „CrossFit ist absolut Unisex, weil es zu einer Zeit groß geworden ist, wo Gleichberechtigung schon ein wichtiges, gesellschaftliches Thema war. Frauen sind bei uns genauso sichtbar wie Männer und bekommen auch bei Wettbewerben zum Beispiel gleich viel Zeit, Preisgeld oder Sponsoring-Summen.“
Einzig in einer „Disziplin“ muss die Leistungssportlerin dem Großteil der Männerwelt einen klaren Vorsprung einräumen: „Das tägliche Haarewaschen nach dem Sport nervt unglaublich. Ich habe sehr langes und dichtes Haar, da muss man fast einen extra Programmpunkt am Tag dafür einplanen.“
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