Johanna Sebauers „Nincshof“: Wie ein fiktives Dorf berühmt wird

Johanna Sebauers „Nincshof“: Wie ein fiktives Dorf berühmt wird
Mit ihrem Buch über ein Dorf im Seewinkel, das verschwinden möchte, räumt Johanna Sebauer in Deutschland Preise ab.

„Ein Höhepunkt der tiefsinnigen Heiterkeit, wie er in der deutschsprachigen Literatur selten vorkommt.“ Die Jury des Harbour Front Literaturfestivals lobte Johanna Sebauers Debütroman „Nincshof“ in höchsten Tönen – und überreichte der 35-jährigen Schriftstellerin vor zwei Wochen dafür den mit 10.000 Euro dotierten Debütpreis des Festivals.

Dass der erste Roman einer österreichischen Autorin in Deutschland so viel Anerkennung erntet, kommt nicht alle Tage vor. Johanna Sebauer zeigt sich im Gespräch mit dem KURIER selbst erstaunt: „Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass mein Werk jetzt der Meinung von anderen ausgesetzt ist. Man ist jahrelang alleine damit, und plötzlich wird es von anderen Leuten gelesen. So ein Preis ist eine schöne Bestätigung und hilft mir, damit umzugehen. Ich habe mich wahnsinnig gefreut, denn es waren auch Leute nominiert, die auf der Longlist für den deutschen Buchpreis stehen.“

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Nicht nur die Jury des Hamburger Festivals ist begeistert von „Nincshof“ – seit seiner Veröffentlichung im vergangenen Juli ist das Buch zum Verkaufsschlager geworden. Die Handlung, kurz angerissen: „Nincshof“ ist ein (fiktives) Dorf im Seewinkel mit wenigen Hundert Einwohnern, das es bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts offiziell nicht gegeben hat. Erst nach der Fertigstellung des Einserkanals wurde es im Schilfgürtel „entdeckt“. In der Gegenwart formiert sich eine Gruppe von „Oblivisten“, die sich wünschen, dass Nincshof wieder vergessen wird. Ihrer Meinung nach ist das Dorf von Österreich „illegitim okkupiert“ worden.

Die Frage, ob ihre Oblivisten von Staatsverweigerern oder Reichsbürgern inspiriert wurden, verneint Sebauer entschieden: „Daran habe ich nicht einmal irgendwie gedacht. Die Oblivisten wollen ihre Ruhe haben und jeder von ihnen hat seine eigenen Gründe, warum sie wollen, dass das Dorf vergessen wird.“

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Johanna Sebauers „Nincshof“: Wie ein fiktives Dorf berühmt wird

Endgegend Seewinkel

Johanna Sebauer wurde in Wien geboren und ist mit ihren Eltern im Alter von sechs Jahren nach Marz im Bezirk Mattersburg gezogen. Warum sich die Handlung ihres Debütromans ausgerechnet im Seewinkel abspielt? Die Autorin erklärt: „Dass ich die Geschichte genau da angesiedelt habe, war eher Zufall. Je mehr ich darüber geschrieben habe, desto interessanter wurde es. Ich finde, der Seewinkel ist so eine Endgegend. Auf der einen Seite war so lange der Eiserne Vorhang und auf der anderen der See. Man kommt dort nicht mehr weiter. Ich dachte mir, wenn ein Dorf verschwinden will, wäre das der richtige Ort.“

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Seit mittlerweile zehn Jahren lebt Sebauer in Hamburg. Was sie manchmal in ihrer Wahlheimat vermisst, wurde Teil der Handlung ihres Debütromans: „Mir wurde schon mehrmals gesagt, dass man beim Lesen die Hitze spürt. Es kann auch sein, dass ich das deshalb so intensiv beschrieben habe, weil mir die heißen Burgenland-Sommer in Hamburg fehlen. Hier kann man die Sommertage mit über 30 Grad an einer Hand abzählen. Ich habe mir die Hitze herbeigeschrieben.“

Johanna Sebauers „Nincshof“: Wie ein fiktives Dorf berühmt wird

Johanna Sebauer:
„Nincshof“
Dumont Verlag.
368 Seiten.
23 Euro 

Hauptberuflich ist Johanna Sebauer in der Wissenschaftskommunikation tätig. Im Moment ist ihr Hobby als Schriftstellerin deutlich zeitintensiver geworden: Die 35-Jährige reist für Lesungen durch den gesamten deutschsprachigen Raum, letzte Woche war sie etwa in Zürich. Am 9. November ist auch ein Termin in der alten Heimat Marz eingeplant. Alle Termine gibt es unter johannasebauer.com.

Rund vier Jahre hat Johanna Sebauer an „Nincshof“ geschrieben. Welches Buchprojekt ihr nächstes wird, ist noch unklar. Eine Fortsetzung von „Nincshof“ soll es nicht werden – wenn auch eine Hintertür zum „vergessenen Dorf“ offen bleibt: „Ich glaube nicht, dass ich noch einmal darüber schreiben werde, für mich ist Nincshof fertig. Aber ich will es auch nicht hundertprozentig ausschließen.“

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