Sommer hinterließ verheerende Spuren in der Arktis
Es ist beinahe ein Rekordtief: Das Meereis in der Arktis ist auf die zweitniedrigste Ausdehnung seit Beginn der Messungen vor rund 40 Jahren geschrumpft. Mit 3,74 Millionen Quadratkilometern sei in der vergangenen Woche wahrscheinlich das Minimum für dieses Jahr erreicht worden, teilte das Nationale Schnee- und Eisdatenzentrum (NSIDC) der USA in Boulder im Bundesstaat Colorado mit.
"Verrücktes Jahr" für Natur
"Es war ein verrücktes Jahr im Norden, mit Meereis in der Nähe eines Rekordtiefs, Hitzewellen mit knapp 40 Grad in Sibirien und massiven Waldbrände", sagte NSIDC-Chef Mark Serreze. "Das Jahr 2020 wird als Ausrufungszeichen in einem Abwärtstrend bei der Ausbreitung des arktischen Meereises stehen. Wir steuern auf einen saisonal eisfreien Arktischen Ozean zu, und dieses Jahr ist ein weiterer Nagel im Sarg."
Tiefstand im Jahr 2012
Der Negativrekord hatte im Jahr 2012 gelegen. Damals sei die Eisdecke nach Daten der Universität Bremen auf 3,27 Millionen Quadratkilometer geschrumpft, hieß es vom Alfred-Wegener-Institut (AWI). Zu den Ursachen für den starken Eisverlust in diesem Sommer zählt demnach, dass im zurückliegenden Winter in den russischen Randmeeren überwiegend dünnes Meereis gebildet wurde, welches im Frühling rasch schmolz.
Zudem habe die Arktis besonders hohe Luft- und Wassertemperaturen verzeichnet, Wärmewellen hätten dem Eis sowohl von oben als auch von unten zugesetzt.
Offenes Wasser fast bis zum Pol
Die Wissenschaftler an Bord des deutschen Forschungseisbrechers "Polarstern" hätten die rapide Eisschmelze in diesem Sommer live miterlebt, hieß es vom AWI. "Das Meereis der Arktis hat sich in diesem Jahr atemberaubend weit zurückgezogen", erklärte "Mosaic"-Expeditionsleiter Markus Rex. Beim Erreichen des Nordpols seien weite Bereiche offenen Wassers fast bis zum Pol zu sehen gewesen, umgeben von völlig durchlöchertem Eis.
"Das Eis der Arktis schwindet in dramatischer Geschwindigkeit."
"Katastrophale Entwicklung"
Das Eis schmelze so schnell, dass die Arktis voraussichtlich nicht 2050, sondern schon ab 2035 im Sommer komplett eisfrei sein werde, warnte Sybille Klenzendorf, Arktis-Expertin beim WWF Deutschland. Diese "katastrophale Entwicklung" hat auch Folgen: Extremwettereignisse wie Sturmfluten und Trockenperioden würden dadurch in Mitteleuropa begünstigt.
Zudem veränderten Fische aufgrund veränderter Meerestemperaturen und Strömungen ihr Wanderverhalten.
Artensterben wird rasanter zunehmen
Das Schrumpfen des Meereises zeige, "wie massiv die Zerstörung unseres Planeten durch die Klimaerhitzung voranschreitet", kommentierte der Meeresbiologe Christian Bussau von der Naturschutzorganisation Greenpeace.
"Wenn die Arktis schmilzt, werden sich die Meere noch stärker erhitzen, das Artensterben wird rasanter zunehmen. Die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise können bald nicht mehr aufgehalten werden."
Greenpeace fordert, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere zu Schutzgebieten erklärt werden.