IG-Nobelpreis 2020: Angst vor Insekten und Helium-Alligator
Schräge Vögel vor den Vorhang: Zum 30. Mal sind heuer die Ig-Nobelpreise verliehen worden - aufgrund der Coronavirus-Pandemie in diesem Jahr via Internet. Die Auszeichnungen sollen nach Angaben der Veranstalter "das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren". Der Preis wurde in Anlehnung an den Nobelpreis erdacht, „ignoble“ heißt frei übersetzt "unwürdig".
Zehn seriöse Studien zum Lachen
Zehn Studien, die „erst zum Lachen und dann zum Denken anregen“ sollen, wurden ausgewählt, darunter Arbeiten über Narzissten-Augenbrauen, Insektenforscher mit Angst vor Spinnen und ein Helium inhalierender Alligator. Eine Übersicht über Gewinner und Themen:
Akustik: Wissenschafter aus Österreich, Schweden, Japan, den USA und der Schweiz dafür, dass sie einen weiblichen chinesischen Alligator dazu bewegt haben, in einer mit Helium gefüllten luftdichten Kammer zu grölen.
Sie gingen der Frage nach, warum Alligatoren Belllaute von sich geben. Ihre Hypothese: Die Tiere teilen damit potenziellen Rivalen mit, wie groß und stark sie sind. Ergebnis der Studie: Tatsächlich kann man aus den Vokalisierungen von Alligatorenauf deren Größe schließen. Um das zu beweisen, ließen die Forscher einen weiblichen China-Alligator unter etwas veränderten Bedingungen bellen; nämlich in einer Kammer, die mit einem stimmverändernden Gemisch aus Sauerstoff und Helium gefüllt war. Damit zählen nun Stephan Reber, Judith Janisch und Tecumseh Fitch von der Universität Wien zu den IG-Nobelpreisträgern.
Insektenkunde: Ein Wissenschafter aus den USA für das Sammeln von Beweisen dafür, dass Entomologen (Wissenschafter, die Insekten erforschen) Angst vor Spinnen haben, die keine Insekten sind.
Physik: Wissenschafter aus Australien, der Ukraine, Frankreich, Italien, Deutschland, Großbritannien und Südafrika für das experimentelle Herausfinden davon, was mit einem lebenden Regenwurm passiert, wenn man seinen Körper mit hoher Frequenz vibrieren lässt.
Auch weniger tierische Studien erhielten die "unwürdige" Auszeichnung:
Psychologie: Wissenschafter aus Kanada und den USA für die Entwicklung einer Methode, Narzissten anhand der Untersuchung ihrer Augenbrauen zu identifizieren.
Frieden: Die Regierungen von Indien und Pakistan dafür, dass sie ihre Diplomaten heimlich die Türklingeln der jeweils anderen mitten in der Nacht betätigen und sie dann wegrennen lassen, bevor jemand die Tür öffnen kann.
Wirtschaft: Wissenschafter aus Schottland, Polen, Frankreich, Brasilien, Chile, Kolumbien, Australien und Italien für den Versuch, die Beziehung zwischen der Einkommensungerechtigkeit eines Landes und der durchschnittlichen Häufigkeit von Küssen auf den Mund zu quantifizieren.
Management: Fünf professionelle Auftragsmörder in China - Xi Guang-An, Mo Tian-Xiang, Yang Kang-Sheng, Yuang Guang-Sheng und Ling Xian-Si - dafür, dass sie einen Auftrag folgendermaßen ausgeführt haben: Nachdem er die Bezahlung für den Mord angenommen hatte, gab Yi Guang-An den Auftrag an Mo Tian-Xiang weiter, der ihn dann an Yang Kang-Sheng weitergab, der ihn dann an Yang Guang-Sheng weitergab, der ihn dann an Ling Xian-Si weitergab, wobei letztendlich jeder nachfolgende Auftragsmörder einen immer geringeren Prozentsatz der Bezahlung bekam und niemand wirklich einen Mord beging.
Medizin: Wissenschafter aus den Niederlanden und Belgien für die Diagnose eines bisher noch nicht erkannten medizinischen Befunds: Misophonia, der Verzweiflung beim Hören der Kau-Geräusche von anderen Menschen.
Medizinische Bildung: Die Staatsoberhäupter von Brasilien, Großbritannien, Indien, Mexiko, Belarus, den USA, der Türkei, Russland und Turkmenistan dafür, dass sie die Coronavirus-Pandemie dafür genutzt haben, der Welt beizubringen, dass Politiker einen unmittelbareren Einfluss auf Leben und Tod haben können als Wissenschafter und Ärzte.
Auch Arbeiten, auf die die Welt schon immer gewartet hat, waren unter den Preisträgern:
Materialwissenschaften: Wissenschafter aus den USA und Großbritannien für den Nachweis, dass aus menschlichem Kot gemachte Messer nicht gut funktionieren.
Heuer keine Live-Gala
Normalerweise verfolgen mehr als 1000 Zuschauer die Gala live in einem Theater der Elite-Universität Harvard. „Wo zur Hölle sind denn alle?“, fragte die Wissenschaftlerin Jean Berko Gleason gleich zu Beginn bei ihrer traditionellen Willkommensansprache - alleine vor ihrem Computer. Die Ticketeinnahmen finanzieren das Spektakel, weswegen die Veranstalter diesmal um Spenden baten. Aber auch bei der rund anderthalbstündigen Online-Preisverleihung, die diesmal unter dem Oberthema „Insekten“ stand, flogen Papierflieger, es gab Sketche und bizarre Kurz-Opern.
Glückwünsche in Zeiten von Corona
„Wir hoffen, dass die Pandemie bis nächstes Jahr gezähmt ist und wir unsere 31. Verleihung wieder auf einer Bühne machen können“, sagte Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung - bevor er die Gala wie immer mit seinen traditionellen Abschlussworten beendete: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!“