Corona: Ärztekammer für erneute weitgehende Maskenpflicht
Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) hat sich am Donnerstag für eine weitreichende Wiedereinführung der Maskenpflicht ausgesprochen. Dabei geht es um geschlossene Räume wie Supermärkte und Geschäfte. "Die Freiwilligkeit funktioniert nicht. Wenn es freiwillig nicht geht, muss man es verpflichtend machen, und das möglichst bald", sagte ÖAK-Präsident Thomas Szekeres bei einer Pressekonferenz.
Österreichs Zahlen seien sehr gut. "Sie steigen langsam, explodieren nicht", konstatierte der Mediziner. Es liege an uns selbst, dass das auch so bleibe. Szekeres appellierte daher einmal mehr, Abstand zu halten, Hände waschen und besonders in geschlossenen Räumen zum Mund-Nasenschutz zu greifen.
Phase der Abkühlung nutzen
Der Infektiologe Herwig Lindner, ÖAK-Vizepräsident, sagte: "Wir befinden uns in einer Phase der Abkühlung der Pandemie, und diese Phase muss genutzt werden." Die Maßnahmen der Regierung hätten genutzt, aber die Kurve der Neuinfektionen steigt wieder an. Es seien da und dort Defizite im Krisenmanagement aufgetreten - Beispiel Maskenmangel im März und April -, "das darf kein zweites Mal passieren".
Vor allem auf EU-Ebene müsse man die Lektionen lernen, sagte Lindner: Es gebe eine Abhängigkeit von Billiglohnländern bei der Produktion von Arzneimitteln und Schutzausrüstung. Man müsse in der Lage sein, Schutzausrüstung, Basismedikationen und andere Arzneimittel selbst zu produzieren. "Wir müssen in Zukunft die Unabhängigkeit gewährleisten", betonte Lindner.
Auf nationaler Ebene müsse bei Krisen, die das ganze Land betreffen, ein staatliches Management darübergestellt werden. "Wir müssen Verträge darüber abschließen, wer für die Lagerhaltung zuständig ist", sagte der ÖÄK-Vizepräsident. Man könne bei großen Pandemien und Epidemien im niedergelassenen Bereich auch nicht die Verantwortung den einzelnen Ärzten dafür geben, zu sorgen, dass jeweils genug Schutzausrüstung in den Ordinationen vorhanden ist.
Gefahr der Verharmlosung
Der Infektiologe warnte außerdem vor einem Nachlassen der Impfbereitschaft. "Es wird einen Impfstoff geben. Wir können das", zeigte sich der Infektiologe überzeugt und nannte als Beispiele die Pocken und die Kinderlähmung. "Die Regierung sagt, wir werden mit dem Virus leben müssen - ja. Aber nur für eine bestimmte Zeit." Doch Impfgegner würden sich bereits zu formieren beginnen, "und das ist eine Gefahr. Sie verharmlosen das Virus", kritisierte Lindner.
Szekeres plädierte auch dafür, Medikationsdaten aus dem ELGA und/oder der Sozialversicherung mit jenen des Elektronischen Meldesystems (EMS) bzw. den Krankengeschichten aus den Spitälern zu verknüpfen. Dies kann nach den Erläuterungen des ÖÄK-Präsidenten dazu dienen, gegen SARS-CoV-2 wirksame Arzneimittel zu identifizieren. "Wenn ich einen Zusammenhang zwischen einem leichten Verlauf einer Covid-19-Erkrankung und bestimmten Prämedikationen finde", habe man möglicherweise ein wirksames Medikament. Die Daten würden selbstverständlich anonymisiert abgeglichen werden.
Lindner wandte sich auch gegen "Rotstiftakrobaten", die sich formieren würden, um Spitalsbetten, insbesondere Intensivbetten, zu reduzieren. Die Pandemie habe gezeigt, dass dies anders zu bewerten sei. So darf nur ein Covid-19-Patient in einem Vier-Bett-Zimmer liegen, was eine Auslastung von 25 Prozent entsprechen würde, Lindner zufolge aber so nicht gerechnet werden darf. "Es ist ganz wichtig, dass sich Österreich als reiches Land sich die entsprechenden Ressourcen leistet", appellierte der Infektiologe. Nicht zuletzt, um Situationen wie in Italien und Frankreich während der Coronakrise zu vermeiden.
Szekeres appellierte, Containment ernst zu nehmen: Wer Symptome zeige, soll zuhause bleiben und über die Hotline 1450 die Testung anfordern. Es sei nicht zuletzt wichtig, angesichts der allgemeinen Symptome, die auch bei anderen Virusinfektionen auftreten können, zu differenzieren.
Binnen 24 Stunden infizierten sich in Österreich indes wieder mehr als hundert Menschen neu mit dem neuen Coronavirus. Laut den Zahlen des Innenministeriums wurden von Mittwoch auf Donnerstag (Stand: 9.30 Uhr) 116 Personen positiv auf Covid-19 getestet.
Aktiv mit dem Virus infiziert sind 1.315 Personen. Die Neuinfektionen seit der letzten Meldung teilen sich auf die Bundesländer Österreichs wie folgt auf: Burgenland: 1 (aktiv: 19), Kärnten: 1 (aktiv: 18), Niederösterreich: 27 (aktiv: 130), Oberösterreich: 37 (aktiv: 523), Salzburg: 7 (aktiv: 51), Steiermark: 9 (aktiv: 96), Tirol: 2 (aktiv: 40), Vorarlberg: 1 (aktiv: 5) und Wien: 31 (433).
60 Fälle in Schlachthof- und Freikirchen-Cluster
Auch in den bekannten Clustern stiegen die Zahlen. Im Zusammenhang mit dem Cluster rund um die Freikirche "Pfingstkirche Gemeinde Gottes" in Niederösterreich wurden neun Fälle mehr registriert, womit 22 aktuelle Fälle vorliegen. Laut einem Sprecher der niederösterreichischen Gesundheits-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) seien weiterhin 270 Personen unter Beobachtung. Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Zusammenhang mit dem Cluster um den Schlachthof in Eggenburg (Bezirk Horn) erhöhte sich um vier auf 38.
Die nach Auftreten eines Covid-Clusters in zwei Polizeiinspektionen in der Stadt Salzburg durchgeführten Coronatests bei 101 Beamten sind zum Großteil negativ ausgefallen. Wie ein Polizeisprecher am Donnerstag zur APA sagte, sei zu den bereits bekannten fünf Fällen lediglich ein sechster hinzugekommen. Dafür meldeten die Behörden vier neue Infektionen in einem Asylquartier in Bergheim (Flachgau). Auch hier werden die Kontakte der Erkrankten derzeit erhoben.
Lage in OÖ "stabilisiert"
In Oberösterreich, wo derzeit die meisten aktiven Fälle vorliegen, stabilisierte sich die Lage "aus heutiger Sicht". "Ein unkontrollierter Ausbruch an Infektionen konnte verhindert werden. Die Reproduktionszahl liegt in Oberösterreich bei 1,1. Die täglichen Neuinfektionen pendeln sich auf durchschnittlich 36 ein - kontrollierbare Infektionszahlen, aber ein noch etwas zu hoher Wert", hieß es in einer Aussendung von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP).
Nach den Wiener Linien werden künftig auch die ÖBB Strafen verhängen können, wenn Fahrgäste die Nasen-Mund-Schutz-Pflicht nicht einhalten. Ab Montag ist eine Geldstrafe von 40 Euro möglich. Wer der Aufforderung des Zugpersonals nicht nachkommt und keinen MNS trägt, kann zudem des Zuges verwiesen werden, berichtete die ÖBB.
Israel möglicherweise vor neuem Lockdown
International wuchs vor allem in Israel angesichts immer rasanter steigenden Zahlen die Furcht vor einer zweiten Welle. Das israelische Gesundheitsministerium teilte am Donnerstag mit, am Vortag seien 1.758 Fälle gemeldet worden - ein Rekordwert. Getestet wurden am Mittwoch 24.892 Menschen, die Ansteckungsquote war mit rund sieben Prozent ebenfalls so hoch wie nie zuvor. Falls dieser Trend anhält, wird in Kürze mit einem neuen Lockdown gerechnet.
Auch Japans Hauptstadt Tokio verzeichnete einen Rekord an Corona-Neuinfektionen. Die Stadtregierung bestätigte am Donnerstag 286 neue Infektionsfälle binnen 24 Stunden, wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete. Die wieder steigende Zahl der Neuinfektionen schürte auch in Japan die Sorge vor einer zweiten Infektionswelle. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gab es in Japan bisher mehr als 23.700 bestätigte Infektionsfälle, rund 1.000 Menschen sind bisher gestorben.
Frankreich führt Maskenpflicht wieder ein
In Frankreich wird die Maske wieder Pflicht: Wegen der steigenden Infektionszahlen führt das Land ab der kommenden Woche eine Maskenpflicht in allen geschlossenen Räumen ein, die öffentlich zugänglich sind. Es handle sich um eine "präventive" Maßnahme, betonte der neue Regierungschef Jean Castex am Donnerstag im Pariser Senat.
Trauriger Spitzenreiter bei den aktiven Fällen waren aber einmal mehr die USA. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen erreichte hier wieder einen weiteren Rekordwert: Binnen 24 Stunden wurden nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität vom Mittwochabend (Ortszeit) 67.632 neue Ansteckungsfälle registriert. Die Zahl der Corona-Toten sei um 795 auf mehr als 137.200 gestiegen.