Britische Ärzte empfehlen Samenspenden von toten Männern
Sperma von bereits verstorbenen Männern zu entnehmen, könnte eine "moralisch zulässige" Möglichkeit darstellen, verfügbare Bestände in Samenbanken zu erhöhen. So argumentieren zwei britische Mediziner in einer neuen Untersuchung, die nun im Journal of Medical Ethics veröffentlicht wurde.
Das Sperma könne nach dem Tod durch die elektrische Stimulation der Prostata oder operativ entnommen und eingefroren werden. Es gebe Hinweise darauf, dass die Spermienentnahme bei verstorbenen Männern komplikationslose Schwangerschaften und gesunde Kinder zur Folge haben könne, selbst wenn das Sperma erst 48 Stunden nach dem Tod gewonnen wird.
Ähnlich wie Organspende
Nathan Hodson von der University of Leicester und Joshua Parker vom Wythenshawe Hospital in Manchester betonen, dass eine solche Methode in die Kategorie einer Organspende falle. "Wenn es moralisch vertretbar ist, dass Einzelpersonen Gewebe spenden, um das Leid anderer durch 'lebensverbessernde Transplantationen' bei Krankheiten zu lindern, sehen wir keinen Grund, warum das nicht auf andere Formen des Leids wie Unfruchtbarkeit ausgeweitet werden kann", heißt in dem Bericht.
Das Vorgehen werfe dennoch Fragen auf, wie die Experten betonen. Etwa, in wieweit ein Veto der Familie berücksichtigt und die Anonymität des Spenders gewahrt werden könne.
Seit 2005 müssen Samenspender in Großbritannien damit einverstanden sein, dass Kinder, die durch ihre Spende geboren wurden, nach Erlangen der Volljährigkeit (18 Jahre) mit ihnen Kontakt aufnehmen können. Laut BBC wurden in Großbritannien im Jahr 2017 rund 2.300 Babys per Samenspende gezeugt und geboren. Samenbanken hätten jedoch mit einer Spermaknappheit zu kämpfen.
Jeffrey Ingold, selbst Samenspender, sagte im Gespräch mit der BBC, dass Post-mortem-Samenspenden dazu führen könnten, dass mehr Männer als Spender in Betracht gezogen werden. "Ich sehe nicht, wie die Einführung eines Systems, das die Samenspende einer Organspende gleichsetzt, etwas anderes als eine gute Sache sein könnte", sagte Ingold.
"Rückschritt" im Spendeprozess
Dem widerspricht Allan Pacey, Professor für Männerheilkunde an der Universität von Sheffield. Ein derartiger Spendeprozess sei ein "Rückschritt", sagte er zur BBC.
"Ich hätte viel lieber unsere Energie in Versuche gesteckt, jüngere, gesunde und willige Spender zu rekrutieren, die eine gute Chance haben, am Leben zu sein, wenn der von ihnen gezeugte Mensch anfängt, neugierig zu werden, und dann auch die Gelegenheit hätte, Kontakt aufzunehmen."
Präzedenzfälle
Erst im Dezember des vergangenen Jahres hat das europäische Menschenrechtsgericht in Straßburg eine Klage zur Herausgabe von Sperma eines Toten abgewiesen. Die Beschwerde der Witwe des verstorbenen französischen Filmemachers Claude Lanzmann, bekannt durch die "Shoah"-Filme, sei unzulässig, urteilte das Gericht. Die Witwe Petithory Lanzmann wollte eine Pariser Klinik zwingen, ihr das eingefrorene Sperma ihres ebenfalls verstorbenen Sohnes zur Verfügung zu stellen, um damit in einer Fortpflanzungsklinik in Israel ein Kind zeugen zu lassen. Die Straßburger Richter urteilten, Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiere zwar das Recht auf ein Familienleben. Dies umfasse aber nicht ausdrücklich ein "Recht, Großeltern zu werden".
In Frankreich war Petithory Lanzmann in allen Instanzen vor Gericht unterlegen, nachdem die Klinik die Herausgabe des Spermas verweigert hatte. Der Sohn der Lanzmanns hatte nach Angaben seiner Mutter kurz vor seinem Krebs-Tod 2017 einen Kinderwunsch geäußert. Sie wollte ihm diesen letzten Wunsch durch künstliche Befruchtung erfüllen. In Israel ist anders als in Frankreich die Leihmutterschaft erlaubt.
Ein Elternpaar in den USA erhielt vergangen März die richterliche Erlaubnis bekommen, das Sperma ihres toten Sohnes verwahren zu lassen und für eine künstliche Befruchtung zu nutzen. Auch in Australien hatte eine Frau 2018 Erfolg: Ihre erhoffte Schwangerschaft stehe nicht im Widerspruch zu den Wünschen ihres Partners, der sich fast zwei Jahre zuvor das Leben genommen hatte, urteilte die Richterin damals.