Wissen/Gesundheit

Erster Fall von Affenpocken in Österreich: "Patient ist guter Dinge"

Die Affenpocken halten nun auch in Österreich Einzug. Wie ein Specher des Gesundheitsstadtrates Peter Hacker am Samstag gegenüber dem ORF bestätigte, liegt der Mann derzeit in der Klinik Favoriten. Der 35-Jährige weist Pusteln im Gesicht auf und hat leichtes Fieber. Sonntagnachmittag dann die Bestätigung des Verdachts: "Das Laborergebnis des Patienten, der als Verdachtsfall zu uns kam, hat bestätigt, dass er Pocken positiv ist. Die Sequenzierung, um welche Form der Pocken es sich handelt, erfolgt jetzt noch", sagte die Sprecherin des Wiener Gesundheitsverbundes (Wigev), Nina Brenner-Küng, der APA am späten Sonntagnachmittag. "Mit aller Wahrscheinlichkeit nach werden es Affenpocken sein."

Patient ist "guter Dinge"

Christoph Wenisch, der behandelnde Arzt in der Klinik Favoriten, hat Montagfrüh im Gespräch mit Ö3 gesagt: "Der Patient ist guter Dinge, er möchte dann schon nachhause gehen. Aber da haben wir gesagt, das darf er jetzt noch nicht, weil er noch eine Zeit unter Beobachtung steht und auch eben isoliert werden muss." Seine Kontakte werden jetzt nachträglich gegen Pocken geimpft. Das nenne man "Abriegelungsimpfung", so Wenisch.

Steigende Zahlen über Sommer hinweg

Der Verdacht sei bereits im Rettungsauto aufgekommen, daher wurde der Patient in der Infektiologie des Spitals aufgenommen. Das Gesundheitsministerium wurde über den Verdachtsfall von den zuständigen Wiener Behörden informiert, die auch für das Contact Tracing verantwortlich sind. Der Patient wurde regelkonform isoliert, sagte der Sprecher.

Weltweit treten Fälle auf

In Deutschland sind inzwischen drei Fälle der Viruserkrankung bestätigt, einer in München und zwei in Berlin. Die WHO berichtet mit Stand Samstag von rund 90 bestätigten Infektionen und 30 Verdachtsfällen in Ländern, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt.

"Eine neue Pandemie haben wir nicht zu befürchten", sagte der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maxiliams-Universität München in einem am Samstag bei "Zeit Online" veröffentlichten Interview. Affenpockenviren seien andere Erreger als die Auslöser der Menschenpocken.

Die Krankheit gehöre zu den Zoonosen, also Krankheiten, die immer wieder vom Tier auf den Menschen übergehen und sich kaum zwischen Menschen übertragen würden. "Da wir kaum mehr Immunität gegen die klassischen, seit über 40 Jahren in der Natur ausgerotteten Pockenviren haben, breiten sich aber auch die Affenpocken immer mal aus, aber lediglich punktuell. Das machen sie bei Weitem nicht so effizient wie die Grippe oder Sars-CoV-2", sagte der Pockenvirologe.

Die momentan festgestellten Erkrankungen betreffen laut WHO hauptsächlich - aber nicht nur - Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben. Bei allen derzeit genetisch analysierten Fällen handle es sich bei dem Erreger um die westafrikanische Variante, auch bei dem Patienten in München. Sie führt im Vergleich zur zentralafrikanischen Variante grundsätzlich zu milderen Verläufen.

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"Kein Potenzial, die Bevölkerung massiv zu gefährden"

"Allgemein geht man davon aus, dass die westafrikanischen Affenpocken eine Sterblichkeit von insgesamt einem Prozent haben, das betrifft vor allem Kinder unter 16 Jahren", sagte Clemens Wendtner, Chefarzt der infektiologischen Klinik eines Krankenhauses in Schwabing in München. "Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind, bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden."

Das Virus verursacht nach Angaben von Gesundheitsbehörden meist nur milde Symptome wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und Hautausschlag. Affenpocken können aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen, in Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Übertragen wird der Erreger-Virus vor allem über direkten Kontakt oder Kontakt zu kontaminierten Materialien.

Vorsicht bei immunsupprimierten Patientengruppen

Vorsicht ist nach Ansicht Wendtners bei immunsupprimierten Patientengruppen geboten, also solchen mit nur schwachen Abwehrkräften. "Dazu gehören beispielsweise HIV-Patienten ohne ausreichende medikamentöse Krankheitskontrolle, aber zum Beispiel auch Tumorpatienten mit schwerer Immunsuppression etwa nach Stammzelltherapie." Es werde diskutiert, ob man diese Risikogruppen mit einer Impfung schütze. Seit 2013 ist in der EU demnach der Impfstoff Imvanex zugelassen. Auch die Impfung von Kontaktpersonen wird momentan geprüft. Die WHO wollte Experten einberufen, um mögliche Impfempfehlungen zu erörtern.

Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es neben der Impfung eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung. Die WHO wies allerdings darauf hin, dass die Gegenmittel momentan nicht flächendeckend verfügbar seien. Reisebeschränkungen oder Absagen von Veranstaltungen in betroffenen Ländern sind aus Sicht der WHO derzeit nicht notwendig. Es könne bei Massenveranstaltungen zwar zu Ansteckungen kommen, Vorsichtsmaßnahmen gegen Covid-19 würden aber auch gegen Affenpocken wirken.

Für eine Entscheidung, ob die Affenpocken künftig zu den meldepflichtigen Erkrankungen zählen sollen und Infizierte auch in Quarantäne müssen, braucht es einheitliche internationale Vorgaben, diesbezügliche Abstimmungen laufen zwischen der WHO und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC).