Wirtschaft

US-Notenbankchef: Rohstoffmangel auch 2022 noch Thema

Hohe Inflation und Materialengpässe werden der Wirtschaft laut US-Notenbankchef Jerome Powell länger zusetzen als gedacht. Es sei frustrierend zu sehen, dass sich die Lieferkettenprobleme nicht besserten, sagte Powell am Mittwoch bei einer von Reuters-Chefredakteurin Alessandra Galloni moderierten Gesprächs-Runde beim Zentralbankforum der EZB: "Am aktuellen Rand verschlimmern sie sich offenbar sogar ein wenig", sagte Powell per Videoschaltung.

Das mit der Öffnung der Wirtschaft nach der Krise zusammenhängende Problem werde sich vermutlich bis ins nächste Jahr hineinziehen und auch die Inflation länger auf einem höheren Stand halten als gedacht, so Powell. Die Teuerungsrate in den USA ist wie in vielen anderen Regionen der Welt zuletzt kräftig gestiegen - unter anderem als Folge der Corona-Krise. Waren und Dienstleistungen kosteten im August 5,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.

Kein dauerhaft hohes Preisniveau erwartet

Er erwarte, dass die Inflation auch in den nächsten Monaten über dem Ziel der Federal Reserve von zwei Prozent liegen werde, bevor sie nachlasse, sagte Powell. Die Fed gehe aber davon aus, dass aus dem Inflationsschub kein dauerhaft erhöhtes Preisniveau entstehe. Doch sei es schwierig zu sagen, wie lange die Phase der erhöhten Preise andauere.

Auch EZB-Chefin Christine Lagarde betonte, es sei schwierig vorherzusagen, wann sich die Lieferengpässe auflösten. Akute Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen setzen auch der deutschen Industrie zu: Der Material-Mangel hat sich im September verschärft und ist nun so groß wie nie zuvor, wie das Ifo-Institut mitteilte. Als Folge wollen immer mehr Unternehmen ihre Preise erhöhen. Die Verbraucherpreise in Deutschland sind bereits rasant gestiegen: Für die am Donnerstag anstehenden Daten für September erwarten Experten einen Anstieg auf 4,2 Prozent. Im August lag die Teuerungsrate bei 3,9 Prozent - so hoch wie seit fast 28 Jahren nicht mehr.

Preistreibender Effekt soll nachlassen

In der Euro-Zone waren es zuletzt 3,0 Prozent - der höchste Stand seit zehn Jahren. Lagarde betonte, es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der Inflationsschub nicht vorübergehe. Mit Blick auf die derzeit erhöhten Energiekosten sei zu erwarten, dass dieser preistreibende Effekt im Laufe des nächsten Jahres nachlasse. Die von der Pandemie hart getroffene Wirtschaft werde zum Jahresende das Vorkrisenniveau wieder erreichen.

Der ebenfalls zur EZB-Konferenz zugeschaltete japanische Notenbankchef Haruhiko Kuroda rechnet damit, dass die Wirtschaft in seinem Land Ende 2021 oder Anfang 2022 ihr Vorkrisenniveau erreichen wird. Auch Japan leide unter Störungen der Lieferketten, die durch Schließung von Fabriken in Südostasien ausgelöst worden seien. Diese Hemmnisse dürften sich in den kommenden Monaten aber auflösen.

Zinserhöhung womöglich bis Februar 2022

Der Chef der Bank von England, Andrew Bailey, erwartet, dass die Wirtschaft im Vereinigten Königreich erst Anfang 2022 und damit "womöglich einen Monat oder zwei Monate" später als von der Notenbank im August angenommen Vorkrisenniveau erreicht. Auf die Frage, ob die Leitzinsen noch dieses Jahr steigen könnten, schwieg sich Bailey mit Blick auf die anstehende Entscheidung der Währungshüter im November aus. Dieser wolle er nicht vorgreifen. Doch seien Leitzinsen bei der Übertragung der geldpolitischen Impulse in die Finanzwelt und Wirtschaft das "bevorzugte Werkzeug" der Notenbank, betonte er.

Die Währungshüter in London halten den Schlüsselzins derzeit bei 0,1 Prozent und das Volumen ihres laufenden Wertpapier-Kaufprogramms bei 895 Milliarden Pfund. An den Finanzmärkten wird mit einer Zinserhöhung bis Februar 2022 gerechnet. Die Wahrscheinlichkeit einer Straffung bis Dezember wird auf 60 Prozent taxiert.