US-Wirtschaft: Lieferengpässe verhinderten ein größeres Plus

Die Freiheitsstatue
BIP wuchs im zweiten Quartal um 6,5 Prozent. Experten rechneten mit 8,5 Prozent.

Gebremst von Lieferengpässen hat die US-Wirtschaft im Frühjahr weniger Fahrt aufgenommen als erhofft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg von April bis Juni aufs Jahr hochgerechnet nur um 6,5 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag in Washington auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Von Reuters befragte Experten hatten mit einem Zuwachs von 8,5 Prozent gerechnet, nach einem Plus von 6,3 Prozent im ersten Quartal.

In der Automobilindustrie fehlen Computer-Chips, am Bau hapert es beim Holz-Nachschub, und Container sind weltweit rar. Die Logistik-Probleme hängen zum größten Teil mit der globalen Pandemie-Krise zusammen. "Das BIP-Wachstum hätte kräftiger ausfallen können, doch Lieferengpässe und fehlendes Personal haben eine stärkere Produktionsausweitung behindert", erklärte Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe. Die massiven Finanzhilfen von Staat und Notenbank konnten sich seiner Ansicht nach deshalb nicht vollständig entfalten, vor allem da der Arbeitsmarkt sich noch nicht von der Krise erholt habe.

Monatelanges Ringen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt der - nach dem Einbruch in der Corona-Krise im Jahr 2020 mittlerweile wieder rund laufenden - US-Wirtschaft für dieses Jahr ein Wachstum von 7,0 Prozent voraus, auch wegen der riesigen Konjunkturpakete von Präsident Joe Biden. Schon im März war ein 1,9 Billionen Dollar (1,61 Bill. Euro) schweres Programm aufgelegt worden, mit dem die USA die Folgen der Corona-Krise abfederten. Nach monatelangem Ringen machte der US-Senat nun auch den Weg für ein parteiübergreifendes Infrastrukturpaket mit einem Volumen von rund einer Billion Dollar frei, das der Wirtschaft im weiteren Jahresverlauf noch Schub verleihen dürfte.

LBBW-Analyst Dirk Chlench betonte, dass das Wachstum im Frühjahr doch "sehr kräftig" ausgefallen sei, auch wenn es deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. "Grund hierfür dürfte in erster Linie der Rückgang der Investitionen in Wirtschaftsbauten sowie in Wohnbauten sein", erläuterte er. Angesichts der zahlreichen Meldungen über Knappheit an Baustoffen sollte dies nicht als Zeichen einer Konjunkturschwäche fehlgedeutet werden, fügte Chlench hinzu.

Commerzbank-Experte Christoph Balz verwies darauf, dass auch an anderer Stelle Materialknappheit höheres Wachstum verhinderte. "Beispielsweise hätten sicherlich mehr Autos produziert und verkauft werden können, wenn es keine Lieferschwierigkeiten bei Computer-Chips gegeben hätte." Ein Teil der Nachfrage sei daher aus Lagerbeständen und zusätzlichen Importen gedeckt worden, was das Wachstum um etwa 1,5 Prozentpunkte gedrückt habe.

Hohe Konsumlust

Die Verbraucher erwiesen sich allerdings wieder als verlässliche Stütze des Aufschwungs. Ihre Ausgaben legten im zweiten Quartal um 11,8 Prozent zu, womit die Konsumlust noch stärker stieg als zu Jahresbeginn. "Die Corona-Scharte ist somit trotz der enttäuschenden Wachstumszahl beinahe ausgewetzt, das BIP liegt knapp unterhalb des Vorkrisenniveaus", so das Fazit von VP-Bank Chefökonom Thomas Gitzel.

Die US-Notenbank (Fed) hatte auf ihrer jüngsten Zinssitzung betont, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr durchaus Fortschritte gemacht habe. Sie bereitet nun die Finanzmärkte behutsam auf ein Abschmelzen ihrer Konjunkturhilfen in Höhe von monatlich 120 Milliarden Dollar vor. Mit einem konkreten Zeitplan rechnen Experten allerdings nicht vor dem Herbst.

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