Wirtschaft

Österreicher empfinden ihr Einkommen als gerecht

Verglichen mit anderen EU-Bürgern stufen die Österreicher ihr eigenes Einkommen zu einem Gutteil als gerecht ein. Mehr als Hälfte sieht das so, wie aus einer Arbeiterkammer-Auswertung der European Social Survey (ESS) hervorgeht.

Die Coronakrise, die auch die Arbeitslosigkeit stark erhöht hat, droht jedoch dieses Empfinden sowie die tatsächliche Verteilung zu verschlechtern. Dem müsse aus AK-Sicht gegengesteuert werden - unter anderem mit höheren Steuern auf große Vermögen.

Dank der Kollektivverträge und staatlicher Umverteilungsleistungen ist die Verteilung der verfügbaren Einkommen - also das Einkommen nach Umverteilung - in Österreich im EU-Vergleich "relativ egalitär", sagte AK-Ökonom Markus Marterbauer am Donnerstag vor Journalisten. Etwas ungleicher stellt sich die Verteilung bei den Bruttoeinkommen dar.

Vermögensverteilung

Die stärksten Unterschiede gibt es jedoch bei der Vermögensverteilung, die auch im EU-Vergleich sehr ungleich in Österreich sei. Vor allem Erbschaften seien extrem ungleich verteilt, so Marterbauer.

Das Empfinden der Österreicher zur Einkommens- und Vermögensverteilung deckt sich laut AK - zumindest teilweise - mit diesen Daten. Mehr als die Hälfte der Österreicher (56 Prozent) empfindet ihr eigenes Bruttoeinkommen als gerecht. Im EU-Schnitt sind es dagegen nur knapp 44 Prozent. Einigkeit herrscht zudem zu den niedrigsten Einkommen (unterste 10 Prozent) diese werden von rund 88 Prozent der Befragen als ungerecht niedrig eingestuft.

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Die Einkommen des obersten Zehntels werden dagegen zu einem deutlich geringeren Anteil (insgesamt von 67 Prozent) als ungerecht hoch bewertet. Dabei hängt die persönliche Einschätzung auch von der eigenen Situation ab. "Im Gegensatz zur Bewertung von niedrigen Einkommen, beeinflusst die eigene Position auf der sozialen Leiter also die Bewertung von hohen Einkommen", schreiben die Ökonomen in der Studie.

Auch bei der Vermögensverteilung herrscht eine "relativ starke Unzufriedenheit", sagte AK-Verteilungsexperte Matthias Schnetzer. So werden die Vermögensunterschiede von drei Viertel der heimischen Befragten als ungerecht hoch oder eher ungerecht hoch eingestuft, das ist deutlich mehr als der EU-Schnitt (62 Prozent). Nur 14 Prozent der Befragten halten die Vermögensverteilung in Österreich für gerecht.

Frage der Gerechtigkeit

Um die Frage zu klären, was von Menschen überhaupt als gerecht empfunden wird, wurden in der Umfrage zudem unterschiedliche Gerechtigkeitsprinzipien abgefragt. Die Österreicher befürworten laut AK-Verteilungsexpertin Julia Hofmann überwiegend ein Leistungsprinzip ("Gerecht ist, wenn hart arbeitende Menschen mehr verdienen"), aber gleichzeitig auch das Bedarfsprinzip ("Gerecht ist, wenn sich die Gesellschaft um Arme und Bedürftige kümmert - ohne Anspruch darauf, etwas zurückzubekommen").

Durch die Coronakrise werde sich die Ungleichheit jedoch erhöhen und das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen verschlechtern, befürchten die AK-Experten. Sie rechnen damit, dass sowohl bei den Einkommen als auch beim Vermögen die Verteilungsgerechtigkeit abnehmen wird.

AK fordert Maßnahmen

Um einer solchen Entwicklung etwas entgegenzusetzen, schlagen die Ökonomen unter anderem eine progressivere Besteuerung großer Vermögen und Erbschaften vor. Zudem brauche es "mehr aktive Arbeitsmarktpolitik", mehr Ausbildung für Junge, mehr Geld für Langzeitarbeitslose, aber auch eine generelle Stärkung des Sozialstaates über einen Ausbau des Pflegesystems und der Kinderbetreuung, so Marterbauer.

Der von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) initiierten Arbeitsmarkt-Stiftung steht Marterbauer eher kritisch gegenüber. Dass die 700 Mio. Euro für die Arbeitsmarkt-Stiftung ausreichen werden, glaubt er nicht. Die Maßnahme sei "zu spät und zu wenig". Aber immerhin würden nun endlich Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitslosen von der Regierung kommen.

Die Arbeiterkammer (AK) hat die Daten der ESS - die neunte Befragungswelle wurde 2018 und 2019 mit einem Schwerpunkt auf Fairness und Gerechtigkeit durchgeführt - für Österreich ausgewertet. Befragt wurde in Europa insgesamt 47.000 Personen, in Österreich waren es 2.500.