Lieferprobleme sind auch ein innereuropäisches Problem
Lange Wartezeiten auf neue Autos, Waschmaschinen oder Spielekonsolen. Der Chipmangel und gröbere Verzögerungen bei Lieferketten, vor allem aus Asien, führen zu immensen Verwerfungen auf den internationalen Märkten, vor allem aber in Europa. „Wir haben schon sechs Tage nicht produzieren können, weil die Motorensteuerung fehlt“, sagte Sigi Wolf, neuer Eigentümer des Lkw-Werks Steyr Automotive, vormals MAN Steyr. Bei Fahrzeugen, die länger auf Halde stehen, leide die Qualität, aber sein Betrieb sei nicht der einzige Betroffene. „Daimler hat 120.000 Fahrzeuge am Hof stehen“, sagte der Manager bei einem Talk der Agentur Unique zum Thema „Wie viel Selbstversorgung braucht Österreich?“
Schnell wurde dabei klar, dass die EU eine Mitschuld an der Situation trage. „Die EU ist nicht fähig, eine einheitliche Linie zu fahren“, so Wolf. Europa könne nicht alles selbst produzieren, daher sei eine Globalisierung notwendig, jedoch zu fairen Bedingungen.
Michael Kocher, Chef der Österreichtochter des Pharmariesen Novartis, stimmte der Problematik „an sich zu 100 Prozent zu“, wobei das Problem vielschichtiger sei. So habe es bei seinem Konzern keine Lieferprobleme mit China gegeben, sehr wohl aber mit Italien oder Polen. Und dass der Antibiotikamarkt weltweit um die Hälfte einbrach, sei zwar positiv, aber für Novartis ein zweischneidiges Schwert. „Wenn die Fabriken nicht ausgelastet sind, sind wir nicht wettbewerbsfähig.“ Höhere Preise seien nicht durchzusetzen, weil sonst viele Regierungen erst recht wieder in Asien günstiger einkaufen würden.
Wie der KURIER berichtete, förderte daher die Bundesregierung die Produktion in Tirol mit 50 Mio. Euro, wobei erst die Hälfte der Summe floß. Der Rest müsse erst von der EU bewilligt werden, so Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck. Sie fordert daher ein neues Wettbewerbsrecht, damit Staaten Produktionen einfacher und rascher unterstützen dürfen. "Das Wettbewerbsrecht stammt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkriegund ist innereuropäisch orientiert. Es braucht aber große europäische Leitbetriebe, die durch Zusammenschluss entstehen", fordert Schramböck einen liberaleren Zugang.
Laut Schramböck braucht es ein gewisses Grundmaß an Produktion Europa und dies müssten Staaten mitfinanzieren, etwa im wie im Falle Österreichs bei Infineon (100 Mio. Euro) oder AT&S (28 Mio. Euro). "Die Naivität der Kommission hat sich diesbezüglich in den letzten Monaten infolge von Corona verringert", sagte Schramböck. Produktion Europa löse das auch Folgeinvestitionen und Aufträge beim heimischen Mittelstand aus.
Wandere zuerst die Produktion ab, dann folge bald auch die Forschung, so Schramböck. In der IT- und Telekombranche sei dies so gewesen. "Jetzt sind wenigstens ein paar aufgewacht", verweist sie auf den European Chip Act, wonach mindestens 20 Prozent des Bedarfs auch in Europa produziert werden sollen. "Es gibt wenigstens ein Ziel." Allerdings, so bedauert sie, gebe es für den Aufbau solcher Produktionsstätten noch keine Ko-Finanzierung seitens der Kommission.
Arbeitsmarkt
Einen Standortnachteil orten die beiden am Podium anwesenden Manager auch im Fachkräftemangel. "Wir haben 250 offene Stellen, wir können sie mehr besetzen", klagt Kocher. Möglichkeiten sehe er durch Zuwanderung und bei Frauen. Wolf wiederum sieht das Problem bei zu geringen Anreizen, überhaupt arbeiten zu gehen. 2.550 Euro Arbeitslose (inklusive Zulagen) plus 11.000 Euro steuerfreien Zuverdienst im Jahr sei zu viel. "Arbeit muss wi9eder mehr wert sein als Nicht-Arbeiten."