AMS-Chef Johannes Kopf: „Der Aufschwung wird kommen“
Von Ornella Wächter
KURIER: Aktuell sind über 530.000 Menschen arbeitslos. Erst ab März, April wird eine rückläufige Arbeitslosigkeit erwartet. Für hunderttausende Einzelschicksale ist das weit weg. Was raten Sie diesen Menschen?
Johannes Kopf: Es ist nicht so, dass man erst wieder Arbeit findet, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt. Es gibt auch in einem schlechten Arbeitsmarkt Dynamik. Auch bei steigender Arbeitslosigkeit gehen Menschen in Pension, wechseln ihren Job und Stellen werden nachbesetzt.
Eine Studie der Stanford University kam zu dem Ergebnis, dass in den USA 30 Prozent aller Jobs verloren gehen. Wie sieht das in Österreich aus?
Die Pandemie wird sicher Spuren am Geschäftsimmobilienmarkt durch Homeoffice hinterlassen. Es wird weniger Geschäftsreisen geben, stattdessen gibt es Videokonferenzen. Das wird in Problem für die Stadthotellerie, für Konferenzveranstalter, für Fluglinien. Gleichzeitig haben wir in der Krise steigende Beschäftigungen im Pflegebereich und im IT-Bereich.
Eine Joboffensive soll Menschen für Jobs qualifizieren, in denen dringend Personal gesucht wird, etwa in der Pflege. Wie schult man Menschen im Lockdown zur Heimhilfe um?
Ja, das ist schwierig. Fast drei Viertel der AMS-Kurse finden online statt. Bei den Pflegeausbildungen wurden theoretische Teile vorgeschoben, in der Hoffnung, dass man die Praxis im Mai nachholen kann. Hinter dem Programm steht eine Grundregel der Arbeitsmarktpolitik: in der Krise sollst du qualifizieren. Experten sagen, dass es im dritten Quartal steil nach oben geht und die Betriebe alle nach qualifizierten Fachkräften suchen. Daher sollte man sich gerade jetzt weiterbilden.
Werden die Umschulungen angenommen?
Es ist zu früh für eine Auswertung der Corona-Joboffensive. Unsere Berater sagen, jemanden von den Vorteilen einer zwölf bis 18 Monate langen Ausbildung zum IT-Techniker oder Pflegekraft zu überzeugen, ist am Telefon schwieriger.
Große Sorgen bereitet die wachsende Zahl an Langzeitarbeitslosen. Diese kämpfen ja nicht nur mit der Jobsuche, sondern auch mit psychischen Problemen. Wie wird man diese auffangen?
Ja, Menschen die lange arbeitslos sind, werden durch bloße Qualifizierungsmaßnahmen nicht vermittelbar, hier braucht es auch noch andere Unterstützungen.
Die Gewerkschaft schlägt vor, das Arbeitslosengeld befristet auf 70 Prozent anzuheben.
Es ist schwer, das wieder abzuschaffen. Ich verstehe die Forderungen, weil man damit Armut bekämpfen will. Wenn man die Höhe des Arbeitslosengelds langfristig verändern will, muss man es grundlegend diskutieren. Aktuell wird zwischen 55 und 60 Prozent des letzten Einkommens ausgezahlt und man kann bis zu 470 Euro dazuverdienen. Wird es erhöht, ergibt das ein Gehalt mit nur wenig Unterschied zu einem regulären Job. Und die Vermittlung würde verunmöglicht.
Unternehmen hat man mit dem Umsatzersatz auch unterstützt.
Die Hilfe war großzügig. Und ich verstehe es, wenn manche sagen, Firmen wird mit 80 Prozent Umsatzersatz geholfen und arbeitslose Menschen bekommen nur 55 Prozent. Es muss die Politik entscheiden, vielleicht kann man das mit der Einmalzahlung noch einmal machen.
Wird Corona den Jobmarkt nachhaltig verändern?
Der Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit wird uns noch lange beschäftigen. Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass nach Krisen die Sockelarbeitslosigkeit in der Tendenz höher ist. Der Hauptgrund dafür, dass die Arbeitslosigkeit heute aber höher als in den 70er oder 80 er Jahren ist, sind die immer kürzer werdenden Dienstverhältnisse. Wenn ein Arbeitnehmer sechs bis acht Mal im Leben seinen Job wechselt, gibt es mehr Zeiten der Arbeitslosigkeit dazwischen.
Werden Dienstverhältnisse in Zukunft prekärer?
Wenn Sie mit prekär kürzer meinen, ja. Auch die Selbstständigkeit wird wieder steigen. Wer im Homeoffice arbeitet, ist schon an der Grenze der Selbstständigkeit. Da wird sich einiges ändern.