Was der größte Gasfund seit 40 Jahren durch die OMV bedeutet
Von Martin Meyrath
Die OMV hat in Niederösterreich ein neues Gasfeld gefunden. Fünf Monate lang führte der teilstaatliche Öl-, Gas- und Chemiekonzern Probebohrungen in Wittau, Bezirk Gänserndorf, durch. Am Freitag verkündete die OMV, in einer Tiefe von 5.000 Metern fündig geworden zu sein. Das Gas soll mit konventionellen Methoden förderbar sein, die umstrittene Fracking-Technologie kommt also nicht zum Einsatz.
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Für Konzernchef Alfred Stern ist der Fund "eine äußerst erfreuliche Nachricht". Um das Gasfeld zu erschließen, braucht die OMV zunächst eine Genehmigung für eine Pipeline zum zehn Kilometer entfernten Standort in Aderklaa.
Nach Schätzung der OMV können aus dem Feld insgesamt etwa 48 Terawattstunden (TWh) Gas gefördert werden. Damit handelt es sich um den größten Gasfund in Österreich seit 40 Jahren. Die jährliche Inlands-Gasförderung der OMV könnte dadurch um etwa 50 Prozent steigen, nach überschlagsartiger Berechnung also etwa von 5 auf 7,5 TWh.
Zur Relation sei gesagt: Die Inlandsförderung von OMV, RAG und ADX VIE zusammen deckt weniger als zehn Prozent des österreichischen Verbrauchs von etwa 90 TWh pro Jahr ab.
Der wichtigste Gaslieferant Österreichs ist mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent der importierten Menge unverändert Russland.
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An den Lieferungen von Gazprom soll sich laut Stern auch vorläufig nichts ändern. Das russische Staatsunternehmen liefere nach Schwankungen im Jahr 2022 seit Februar wieder 100 Prozent der vertraglich vereinbarten Mengen, aufgrund der Take-or-Pay-Klausel sei die OMV auch "zur Abnahme verpflichtet", sagte Stern.
Allerdings arbeite die OMV daran, ihre Gasquellen zu diversifizieren, sollten die Lieferungen aus Russland ausfallen, könnte der Konzern seine Kunden deswegen trotzdem beliefern.
"Das positive Ergebnis unserer Exploration ist eine spannende Nachricht für die OMV und ihre Kund:innen. Da wir an unserer Strategie arbeiten, unsere Gasbezugsquellen zu diversifizieren, ist dieser neue Fund ein wichtiger Beitrag zur Gasversorgung unserer Kund:innen, insbesondere in Österreich, mit einer erwarteten Erhöhung unserer lokalen Produktion“, sagte Stern.
Deutlich gewichtiger als die Inlandsproduktion sind allerdings Importe aus anderen Ländern. Die OMV gab am Freitag bekannt, einen Liefervertrag für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) mit der britischen BP unterzeichent zu haben. Ab 2026 bekommt die OMV für zehn Jahre jährlich eine Million Tonnen LNG geliefert. Das entspricht etwa 14 TWh pro Jahr, also deutlich mehr als in Österreich gefördert wird.
Importiert wird LNG nach der Landung an europäischen Flüssiggas-Terminals über Pipelines. Für diese Importe hat sich die OMV kürzlich Transportkapazitäten gesichert.
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Eine "wichtige strategische Säule" für die Versorgung in Europa soll laut Stern auch das Gasfeld Neptun Deep im Schwarzen Meer werden.
Gewinneinbruch im Halbjahr
Weniger Grund zu jubeln gaben der OMV die am Freitag präsentierten Halbjahreszahlen. Der Konzernumsatz sank um 35 Prozent auf 19,9 Mrd. Euro, das bereinigte operative Ergebnis (CCS) verringerte sich um 41 Prozent auf 3,3 Mrd. Euro. (siehe Grafik).
Dieser Rückgang ist laut Stern "auf ein weniger günstiges Marktumfeld zurückzuführen", konkret darauf, dass die Öl- und Gaspreise seit den Rekordständen in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine im Jahr 2022 wieder deutlich gefallen sind. Der durchschnittliche Preis für ein Fass (159 Liter) der Nordsee-Ölsorte Brent lag im ersten Halbjahr mit 80 Dollar um ein Viertel niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gas kostete mit durchschnittlich 47 Euro je Megawattstunde (MWh) etwa halb so viel.
"Das hat unser Geschäft im ersten Halbjahr natürlich maßgeblich beeinflusst", so der CEO. Das Ergebnis sei dennoch ein sehr gutes, wenn auch nicht mehr auf dem Rekordniveau des Vorjahres.
Dass der Gaspreis europaweit so stark gefallen ist (auf derzeit weniger als 30 Euro je MWh) liegt vor allem daran, dass die Versorgung heuer im Gegensatz zum Jahr 2022 als gesichert gilt. Die österreichischen Gasspeicher sind zu etwa 87 Prozent gefüllt, ein ähnliches Bild zeigt sich in anderen EU-Staaten.
Konzern im Wandel
Wenngleich sich die OMV unter Alfred Stern zum Petrochemie-Konzern wandeln will, verdient sie den Großteil ihres Geldes bisher mit fossilen Energieträgern. Dass die Gesamtförderung von Öl und Gas der OMV heuer auf durchschnittlich 360.000 Fass pro Tag zurückgehen dürfte (von 392.000 Fass pro Tag 2022) liegt im Wesentlichen daran, dass die Produktion des Gasfelds Juschno-Russkoje nicht mehr mitgerechnet wird. Die OMV hat die Beteiligung abgeschrieben und prüft einen Verkauf, was aufgrund der Situation in Russland aber nicht einfach ist.
Zugeknöpft gab sich Stern am Freitag, was die Zusammenlegung der Chemie-Tochter Borealis mit Borouge, der Chemie-Tochter von OMV-Anteilseigentümer Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) betrifft. Man sei "mitten in Verhandlungen", weswegen er sich nicht zu Details äußern könne, sagte Stern. Gründe für die Zusammenlegung wären höhere Wachstumspotenziale sowie die Präsenz in Schlüsselmärkten.
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In Österreich sorgen die Meldungen über die Zusammenlegung für Beunruhigung. Befürchtet wird etwa, dass die OMV durch die Bewertung der eingebrachten Unternehmensanteile die Kontrolle über Borealis verliert, das Hauptquartier aus Wien abwandern könnte und das Geschäft von Abu Dhabi aus kontrolliert wird. Die Grünen stellten deswegen etwa eine parlamentarische Anfrage an Finanzminister Magnus Brunner. "Nach dem Deal würde Österreich am Katzentisch sitzen und hätte nichts mehr zu melden", begründete das Wirtschaftssprecherin Elisabeth Götze.