Zwei Frauen, ein Ziel: Altes für Generationen bewahren
Von Vanessa Haidvogl
Alte Gebäude haben eine Menge zu erzählen und bergen mitunter viele Schätze, die es wert sind, für künftige Generationen zu erhalten. Dabei geht es einerseits um Möbel, Luster oder Geschirr, die heute so nicht mehr hergestellt werden. Aber auch um Bauelemente wie Stuckdecken, Kastenfenster, Stiegenaufgänge und -geländer und vieles mehr. Bauingenieurin Helga Noack, Geschäftsführerin von DenkMalNeo, und Gastronomin Irmgard Querfeld-Micko (Bild oben, von links) haben diese Schönheit des Alten erkannt und haben es sich zum Ziel gemacht, diese alten Werte zu erhalten.
Gebäude mit Historie
Wir treffen die beiden engagierten Frauen im gerade eröffneten Gasthaus Napoleon der Familie Querfeld in Kagran im 22. Wiener Gemeindebezirk. Seit wenigen Wochen erstrahlt der ehemalige Freihof in neuem Glanz. In der mehrmonatigen Umbauphase wurde das Gebäude umfassend saniert und alle Räume neu gestaltet.
Verantwortlich für die Sanierung und Umgestaltung war Bernhard Hiehs, Geschäftsführer von Derenko. Zu seinen Aufgaben gehörte aber nicht nur die komplette Koordination der Arbeiten vor Ort mit den verschiedenen ausführenden Gewerken, sondern auch die Absprache mit dem Bundesdenkmalamt. Schließlich handelt es sich bei dem Freihof um ein interessantes Gebäude mit einer langen Historie.
Der Kagraner Freihof wurde bereits 1494 erstmals urkundlich erwähnt. Der Hof bestand ursprünglich aus einem Gebäude, einem Baumgarten und 99 Joch Ackerland in den Feldern rund um den verbauten Dorfkern.
Wertvoller Stuck
Die Architektur des Gebäudes besticht durch den markanten kubischen, zweigeschoßigen Bau mit Mansarddach und im Inneren mit Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe aus dem 17. Jahrhundert. Im ersten Stock hat sich eine Decke mit Bandlwerkstuck aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten. Bei unserem Rundgang können wir diese wunderbaren Decken und Gewölbe auch bewundern.
Hier hakt Helga Noack ein: „Bei diesem Projekt wurde zum Glück vieles richtig gemacht. Aber aus der Erfahrung kann ich sagen: Es geht vieles verloren, wenn unachtsam saniert wird.“ Als Beispiel nennt sie die Kastenfenster, die erhaltenswert sind. Mit dem Know-how unserer Zeit kann man sie im Aussehen erhalten, aber gleichzeitig auf den neuesten Stand bringen, u. a. Wärmedämmen sowie Lärm- und Sonnenschutz integrieren.
Fit für die Zukunft
DenkMalNeo ist ein ganzheitlicher Dienstleister rund um historische und denkmalgeschützte Gebäude wie Palais, Schlösser, Burgen, Freihöfe, Gründerzeithäuser. Helga Noack und ihr Team entwickeln individuelle Konzepte, die den baulichen Bestand und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit sichern. „Wir ordnen den Wert des Gebäudes und seiner Besonderheiten in den historischen Kontext ein und sind damit ein Garant für die Genehmigungsfähigkeit bei den Behörden.“
Und sie beruhigt all jene, die eine Sanierung ihrer Immobilie in Erwägung ziehen. „Historische Gebäude fit für die Zukunft zu machen, muss keinesfalls ein Fass ohne Boden sein. In ihnen steckt viel mehr Potenzial, als man denkt. Auch die Förderungen für Sanierungen können sich auszahlen.“
Dem Besucher des Napoleon stechen aber nicht nur die alten Bauelemente ins Auge, sondern auch die liebevoll ausgesuchte Einrichtung der einzelnen Räume. Sie trägt eindeutig die Handschrift der Hausherrin. Jeder Raum präsentiert sich optisch komplett unterschiedlich. Mit Unterstützung von Bernhard Hiehs und Antiquitätenexperte Christof Stein wurden ganz viele alte Stücke herangetragen und mit Bedacht ausgewählt und schließlich platziert.
Lieblingsstücke von der Oma
Viele dieser „Secondhand“-Stücke stammen aus Verlassenschaften, wie Irmgard Querfeld-Micko erzählt: „Die Enkel freuen sich, wenn die Sachen von der Oma nicht auf dem Sperrmüll landen, sondern bei uns ein zweites Leben geschenkt bekommen.“
Der Auftrag war, bewusst nach Altem, Schönem zu suchen, und mit neuen Akzenten zu versehen. „Dieses Motto stellte einen wesentlichen Auftrag in der Innengestaltung dar“, so Bernhard Hiehs. Eingebettet wurde das Ganze in ein überaus kreatives und buntes Wirtshauskonzept, das auf zwei Ebenen mit insgesamt über 450 Quadratmeter funktionieren soll.
Bunte Themenzimmer
Zur Entstehung des Konzepts erzählt er: „Das Napoleon kennt man seit jeher als Gasthaus, das unzählige Lebensgeschichten begleitet. Viele Menschen verbinden Erinnerungen mit diesem Gebäude – die Geburtstagsfeier der Großmutter, die Erstkommunion der Kinder, das gemeinsame Festessen nach dem Zeugnis. Wir wollten dieser Vielfalt an Erinnerungen, die das Leben ausmachen, Gestalt verleihen. Das Napoleon sollte auch in Zukunft ein Ort der Zusammenkunft sein. Dies dann schließlich in einem Guss in Materialien, Farbkonzept bis hin zur Dekoration auszuformulieren, darin lag die große Leidenschaft und Detailverliebtheit unserer Arbeit.“
So kann der Gast heute durch viele Themenzimmer wandeln: Von der Wohnstube mit dem echten Kachelofen aus der Steiermark über Opas Jagdstüberl mit Hirschgeweihen an der Wand bis zum Hofburgzimmer mit prunkvollen Kronleuchtern.
Mit Kreativität in die Zukunft
Helga Noack erzählt über ihre Arbeit am Palais Auersperg.
KURIER: Wann klassifiziert eine Expertin ein Gebäude als „wertvollen Bestand“?
Helga Noack: Aus der Wahrnehmung dessen, was wertvoller Bestand ist, und wie dieser Bestand geworden ist – man spricht hier von der Genese eines Bauwerks –, können mit Kreativität nachhaltige Nutzungen und Baumaßnahmen für die Zukunft geplant werden, die tragfähig genug sind für weitere Jahrzehnte oder Jahrhunderte Lebenszeit eines Bauwerks. Dabei wird nicht nur das Gebäude alleine betrachtet, sondern auch das Umfeld, in dem es sich befindet.
Was ist ihr aktuellestes Projekt?
Wir beschäftigen uns aktuell im Rahmen von bauhistorischen Untersuchungen mit der Entstehungsgeschichte des Palais Auersperg in Wien-Josefstadt, seinen über- und unterirdischen Einbauten und dem Garten. Diese Entstehungsgeschichte umfasst alle relevanten Untersuchungen über verwendete Baumaterialien und Handwerkstechniken, das Umfeld, in dem sich das Gebäude befindet und die historischen Umstände, unter denen das Gebäude entstanden ist und weitergebaut wurde. Wir stellen den räumlichen und zeitlichen Zusammenhang wieder her, in dem sich ein Gebäude befindet. Das meinen wir, wenn wir in unserem Leitbild sagen: „Bauwerke fordern uns heraus, Geschichte weiterzuschreiben“.
Wie soll es weitergehen?
Das Palais Auersperg besaß ursprünglich einen Vorplatz, das dem Bauwerk deutlich mehr repräsentativen Eindruck verschaffte. Das Prunkstiegenhaus wurde erst im Nachhinein eingebaut. Auch die Dachform wurde mehrfach abgewandelt. Es lässt sich sehr viel über dieses Palais erzählen, und vieles davon inspiriert für die zukünftige Weiterentwicklung. Die Bauforschung ist eine notwendige Voraussetzung hierfür.
Sehnsucht nach alten Werten
Bernhard Hiehs über erfolgreiche Projekte und geglückte Evolution im Interview.
KURIER: Was macht den Reiz aus, Altes zu erhalten?
Bernhard Hiehs: In der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit sehnen wir uns oft nach Werten aus vergangener Zeit. Früher war zwar nicht alles besser, aber das Wertvolle aus der Vergangenheit in die Zukunft zu tragen, wäre doch geglückte Evolution, wie wir sie uns wünschen würden.
Sie haben auch schon andere Gaststätten und ihr Flair erhalten bzw. einen Retrocharme eingehaucht. Welche Lokale waren ihre letzten Projekte?
Das Basteibeisl in der Stubenbastei in der Wiener Innenstadt durften bereits mein Vater und Großvater vor mehr als 30 Jahren umbauen und es hat sich bis heute zu einer wahren Institution entwickelt. Letztes Jahr durften wir erneut den Bleistift spitzen und das Lokal neu gestalten. Im Mittelpunkt stand hier, den bekannten Charme und das Wiener Flair zu erhalten.
Das Zündwerk Livingroom in Straßhof in Niederösterreich ist sicherlich auch ein schönes Projekt. Dabei war die Herausforderung, einem Industriegebäude mit hohen Räumen den exklusiven Wohnzimmerflair der 1920er-Jahre einzuhauchen, welches zum Verweilen einlädt.
War das „Napoleon“ die erste Zusammenarbeit mit der Familie Querfeld?
Wir haben bereits mehrere Projekte gemeinsam verwirklicht, u. a. „Das Bootshaus“ an der Alten Donau. Zur Inszenierung bedienten wir uns hochwertiger Materialien, wie dunkelbraunem Leder, Kupfer und Eiche sowie originaler Dekor-Elemente. Holzvertäfelungen, alte Spinde sowie Sprossenwände und Sportgeräte sorgen für ein authentisches „Gym-Feeling“. Das Finish für das perfekte Ruderclub-Flair bildet ein heller, offener Dachstuhl in gedecktem Weiß, an dem Kristallluster aus England und ein Ruderboot abgehängt wurden.