Baukartell: Staatsanwalt ermittelt gegen 60 Firmen und 160 Beschuldigte
Von Kid Möchel
Vier Tage hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA) rund 80 Räumlichkeiten von Unternehmen und Privatadressen von Beschuldigten aus der Tief- und Straßenbaubranche in fünf Bundesländern durchsucht, am Donnerstagabend wurde die zweite Hausdurchsuchungswelle abgeschlossen. Dabei konnten an mehreren Örtlichkeiten Unterlagen und elektronische Daten vorgefunden und sichergestellt werden, wie die WKStA versichert, die für das weitere Verfahren als Beweismittel im Hinblick auf den Tatverdacht von Bedeutung sein könnten. Bei den von einer gemeinsamen Einsatzleitung des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung (BAK) und des Bundeskriminalamtes (BK) geplanten und koordinierten Durchsuchungsmaßnahmen kamen täglich mehr als 160 Beamte zum Einsatz. Zu den betroffenen 60 Baufirmen zählen Porr und Strabag, der Kurier hat darüber berichtet. Insgesamt 160 Personen stehen als Beschuldigte im Fokus der Ermittlungen.
"Nach der Verdachtslage besteht in Österreich ein langjähriges, fest im Wirtschaftsleben verankertes System von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Vergabeverfahren vorwiegend im Bereich des Tief- und Straßenbaus, an dem überwiegend marktführende österreichische Bauunternehmen beteiligt, aber auch eine Vielzahl von mittelständischen Unternehmen wiederholt eingebunden sind", heißt es in einer Stellungsnahme der WKStA. "Durch dieses System dürfte über einen Zeitraum von zumindest einem Jahrzehnt bei hunderten von Bauvorhaben der Sinn und Zweck von Vergabeverfahren, nämlich Bauprojekte, die überwiegend mit Steuergeldern finanziert werden, möglichst kostengünstig abzuwickeln, unterlaufen worden sein."
Seit den ersten Durchsuchungsmaßnahmen im Frühjahr 2017 sei eine Vielzahl neuer Beschuldigte und Fakten bekannt geworden. Es konnten auch detaillierte Erkenntnisse über das System der Absprachen und die Rolle einzelner Beschuldigten in diesen Malversionen erlangt werden. "Es konnten bisher insgesamt mehr als 350 Vergabeverfahren im Zeitraum 2006 bis 2017 identifiziert werden, bei denen der Verdacht auf rechtswidrige Absprachen besteht", heißt es weiter. "Der Verdachtslage nach zielten die Absprachen darauf ab, Vergabeverfahren nach Möglichkeit zugunsten eines bestimmten Unternehmens zu beeinflussen. Die anderen an der Absprache beteiligten Unternehmen sollen zu diesem Zweck entweder kein Angebot oder ein entsprechend höheres Angebot abgegeben haben. Für dieses sogenannte „Zurückstehen“ dürften die Unternehmen einen Ausgleich erhalten haben, meist in Form einer Ausgleichsforderung in Höhe von etwa 0,5 und 3,5 Prozentpunkten der Angebotssumme jenes Unternehmens, das der Vereinbarung nach den Auftrag erhalten sollte."
Eine weitere Möglichkeit des Ausgleichs dürfte in Form eines sogenannten „Arbeitsabtausches“ bestanden haben, bei dem vereinbart wurde, dass der Mitbewerber für sein Zurückstehen bei einem gleichwertigen anderen Projekt den Zuschlag erhalten sollte."
Nähere Angaben zu beschuldigten Personen oder Organisationen bzw zu einzelnen weiteren Ermittlungsmaßnahmen können derzeit im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen nicht gemacht werden.