Amazon & Co.: Mehrwertsteuerlücke von fast 1 Mrd. Euro
Ausländische Versandhändler, die ihre Waren nach Österreich liefern, zahlen hier zu Lande zuwenig Mehrwertsteuer. Dieses bekannte, aber schwer zu fassende Phänomen, nahm nun auch der bekannte Linzer Ökonom Friedrich Schneider unter die Lupe. Nach seinen Berechnungen entgehen dem heimischen Fiskus jährlich rund 980 Mio. Euro an nicht eingehobenen Mehrwertsteuer-Einnahmen durch ausländische Online-Händler wie Amazon & Co. Das teilte der Auftraggeber der Studie, die Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS,) am Sonntag mit. Dies entspreche etwa 13,8 Prozent des Umsatzes im ausländischen Distanzhandel 2020 bzw. einem Anteil von 28,8 Prozent an der gesamten Mehrwertsteuerlücke in Österreich (3,405 Mrd. Euro).
Studienautor Schneider bezifferte in der Untersuchung auch die Mehrwertsteuerlücke aller EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2020. Diese erreiche ein Volumen von rund 164 Mrd. Euro oder 13,7 Prozent des gesamten Mehrwertsteueraufkommens und entspreche damit einem Anstieg von 34 Prozent bzw. 42 Mrd. Euro gegenüber 2019 (122 Mrd. Euro), so das IWS unter Verweis auf entsprechende EU-Erhebungen zur VAT Gap (Value Added Tax Gap).
"Die Initiative Wirtschaftsstandort OÖ betrachtet die Schließung der Mehrwertsteuerlücke nicht nur als wesentlichen Beitrag zum Schuldenabbau nach der Corona-Pandemie, sondern als großen Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit und Fairness gegenüber den Steuerzahlern und besonders für den stationären Handel in den heimischen Städten und Ortszentren", so IWS-Geschäftsführer Gottfried Kneifel. Diese knappe Milliarde könnte zusätzlich einkassiert werden, "ohne eine Steuer zu erhöhen oder eine neue Steuer einzuführen".
Italien am stärksten betroffen
Die volumenmäßig größten Steuerlücken hätten 2020 nach ersten Grobschätzungen Italien mit 41,5 Mrd. Euro, das Ex-EU-Mitglied Großbritannien mit 27,3 Mrd. Euro und Deutschland mit 25,6 Mrd. Euro gehabt. In Österreich habe die gesamte Mehrwertsteuerlücke 9,6 Prozent oder 3,405 Mrd. Euro betragen. Davon entfielen laut IWS-Berechnungen 1,8 Mrd. Euro auf Mehrwertsteuerbetrug wie beispielsweise so genannte Karussellgeschäfte oder falsche Deklarationen sowie 1,605 Mrd. Euro auf Sonder-Ausnahmeregelungen und Schwierigkeiten bei der Einhebung.
In der gesamten EU belief sich die Mehrwertsteuerlücke im ausländischen Distanz- oder Onlinehandel einer KMU-Studie (beauftragt von der WKÖ-Bundessparte Handel vom September 2020) sowie den jüngsten Daten der Europäischen Kommission (VAT-Gap in the EU-28 Member States, Brüssel, 2020) und IWS-Berechnungen zufolge auf insgesamt 10,2 Mrd. Euro. Dabei seien 60 Prozent auf Mehrwertsteuerbetrug und 40 Prozent auf Ausnahmeregelungen und Schwierigkeiten bei der Einhebung entfallen.
Die gesamte Studie steht auf der Homepage der Initiative zum Download bereit.