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Beyoncé: Wo perfektioniertes Licht, da auch dunkler Schatten

Auch wenn im deutschsprachigen Raum nach wie vor ihr Name gerne falsch ausgesprochen wird: Die US-Sängerin Beyoncé gehört zu den erfolgreichsten und bedeutendsten Künstler*innen der Gegenwart. Während andere Kolleg*innen zwar Chartserfolge feiern, aber dafür verzweifelt Trends nachlaufen, setzt Beyoncé selbst welche. Was Beyoncé sagt und tut (und singt), wird zum Hype. Hat Bedeutung. Man kann sich nicht entziehen. Ob man möchte oder nicht.

Heute feiert die Sängerin ihren 43. Geburtstag. Grund genug, einen kleinen analytischen Rückblick auf ihre Karriere und ihren (popkulturellen, sowie gesellschaftspolitischen) zu wagen.

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Von klein an auf der Bühne

In Houston, Texas, geboren, hat Beyoncé Giselle Knowles von Beginn an ein klares Ziel: Sängerin zu werden. Mehr noch: Ein großer leuchtender Star zu werden, berühmt zu werden, auf der Bühne zu stehen. 

Ihr Vater Matthew Knowles wird bald zum Manager und trimmt seine Tochter in Richtung Star-Qualitäten. Auch, als sie bereits viele Jahre lang Millionen scheffelt, wird er ihre Karriere immer noch managen – bis sich Beyoncé von ihm zumindest beruflich trennt. Familie und Geschäftliches gehe nicht immer sehr gut Hand in Hand, wird sie in späteren Interviews andeuten.

Bereits mit sieben Jahren beginnt Beyoncé eine Ballett- und Jazztanzausbildung. Es war der dortige Tanzlehrer, der ihr Gesangstalent entdeckte – aufgrund einer ganz speziellen hohen Note, die nur das kleine Mädchen aus Houston in seiner Klasse singen konnte. So wird es zumindest erzählt. Aber vieles bei Beyoncé ist ein (PR-tauglicher) Mix aus Mythenbildung und Wahrheit. Letztere wird gern so popkulturell aufgeblasen wie die Persona Beyoncé selbst.

In der Schule gemobbt – Beyoncé war ein schüchternes Mädchen —, findet sie ihren Seelenausgleich in der Musik. Nachdem sie einen Gesangswettbewerb für eigentlich viel ältere Mädchen gewonnen hatte, gründete sie mit Freundinnen die Gruppe Girl's Tyme, die schon damals einen Mix aus Pop und R'n'B darbieten. Die Band, bei der Beyoncé den Front-Part übernahm (wohl auch wegen des Manager-Daddys) gewinnt ebenso zahlreiche Wettbewerbe – nur nicht die legendäre Castingshow "Starsearch", was Beyoncé noch viele Jahre später kränken sollte.

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Schicksalskind

Mit einem Plattenvertrag in der Tasche kommt auch die Namensänderung: 1996 wird aus Girl's Tyme Destiny's Child – und schon die erste Single schießt auf Platz 1 der US-Charts. Hit auf Hit folgt, genauso wie der Wechsel von Gruppenmitgliedern. Der ganz große weltweite Durchbruch kommt als Trio (mit Kindheitsfreundin Kelly Rowland und Michelle Williams) und dem Song "Independent Women, Part 1" im Jahr 2000, Titeltrack des Kinohits "Charlie's Angels". Das Image der super starken, unabhängigen, aber auch sexy Frauen sollte zur Erfolgsformel von Destiny's Child werden.

Beyoncé steht von Beginn an im Fokus der Gruppe, die anderen Mitglieder rund um sie herum gruppiert und werden medial gerne als Backgroundsängerinnen abgetan. Vergleiche mit Diana Ross und den Supremes werden bald laut. Es ist nachvollziehbar: Sie hat die vielseitigste Stimme, das beste Aussehen, eine Bühnenpräsenz wie eine Naturgewalt. Auch hinter den Kulissen zieht sie Fäden, sie schreibt und produziert viele der Songs. Bei manchen Tracks übernimmt sie gar selbst die Background-Parts, offiziell gelten sie aber als Destiny's Child-Nummern.

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Will man's richtig machen, macht man's besser selbst

2002 entschließt sich Beyoncé zur Solokarriere, eine Überraschung ist das an dem Punkt für niemanden. Es wirkt, besonders im Rückblick, so, als ob Destiny's Child nur ein kleiner Aspekt im von Beginn an streng konstruierten Megastar-Plan war. Auch die Solo-Nummern werden große Hits, gar größer als jene mit den Kolleginnen. 

Und das, obwohl bei Kritikern Beyoncés Musik zu Beginn durchaus abgewatscht wird: nicht eingängig genug, nicht gut genug einzuordnen. Aber gleichzeitig doch zu kommerziell. Man wusste nicht viel mit Beyoncé anzufangen. Dem Erfolg tut's keinem Abbruch, die Welttourneen sind ausverkauft. Und auch ihre Auftritte ins Schauspielfach sind von Erfolg gekrönt, das Musical "Dreamgirls" erntete Lobesyhmnen. Bei den Oscars muss sie sich aber Co-Star Jennifer Hudson geschlagen geben. Ein Ego-Schlag für Perfektionistin Beyoncé. Vielleicht zog sie sich deshalb vom Schauspielen zurück.

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Die Krönung

Das 2013er-Album "Beyoncé" (der Titel ist kein Zufall) ist der erste Schritt in Richtung neuen, mittlerweile wohlbekannten Weges: Beyoncé pfeift auf etablierte Musikbiz-Regeln und setzt eigene. Der bisherige Erfolg stärkt ihr den Rücken, die Ehe mit Rap-Mogul Jay-Z ebenso. Die beiden gelten als Power-Couple des Musikbusiness, inszenieren sich gerne als König und Königin, sind unerreicht und wollen es auch sein. 

Beyoncès Fandom? Das nennt sich mittlerweile "Bey-Hive", eine Abwandlung von beehive, also Bienenstock. Mit der Sängerin als umschwärmte Königin. Eine Königin, die sich für Menschenrechte und die afroamerikanische Kultur einsetzt. Dafür wird sie gefeiert.

Beyoncé ist gesellschaftspolitisch, manchmal auch dann, wenn sie es gar nicht will. Zum Beispiel, wenn Donald Trump ihre Songs für seinen Wahlkampf verwendet. Dann zeigt die sonst eher zurückhaltende Queen ihre Krallen – und droht mit einer Unterlassungsklage. 

Beyoncé verändert das Musikbusiness nachhaltig

Beyoncé beginnt, ihre Alben ohne Ankündigungen zu veröffentlichen, was ihre viele Künstler*innen nachmachen werden. Der Hype wird damit multipliziert. Auch der Trend des visuals albums, sprich: jeder Albumtrick bekommt ein Video spendiert, geht auf Beyoncé zurück, genauso wie ausschließlich digitale Veröffentlichungen. Der Höhepunkt: Das 2016er-Album "Lemonade", das sowohl auf akustischer als auch visueller Ebene den Ehebruch des Gatten verarbeitet – und zugleich die historische Unterdrückung der Schwarzen Frau aufarbeitet. Dass Privates immer auch politisch ist, hat Beyoncé auf eine neue künstlerische Ebene gehoben.

Von Beginn an setzt die Sängerin zudem auf Live-Alben, um ihr Talent zu betonen, jeder ihrer Auftritte wird zum aufwendig inszenierten Event. Nachdem sie beim Musikfestival Coachella performt, spricht man kurzzeitig nur noch von "Beychella". Beyoncé dominiert. Auch dann, wenn sie nicht will. Aber meistens will sie.

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Und die Musik selbst? Immer noch R'n'B (diesmal mit viel Hip-Hop-Bling-Bling serviert, dem Ehemann sei Dank), aber weniger kommerziell. Fast schon ein eigenes Genre, das Beyoncé kreiert. Später folgen Genre-Konzeptalben, die im Dance und Country zuhause sind. Die Künstlerin erfindet sich damit immer wieder neu, ohne zu sehr zu irritieren, ohne sich zu sehr von sich selbst zu entfernen.

An der Masse ist Beyoncé nach und nach nicht mehr interessiert. Heute setzt sie nicht mehr Trends, sie ist der Trend. Hat den Terminus Ikone neu definiert. Interviews? Gibt sie schon lange keine mehr, auch auf Instagram beschriftet sie ihre Fotos nicht. Weil sie das nicht nötig hat. Die Kunst soll für sich alleine sprechen – und die Auszeichnungen: Beyoncé besitzt 32 Grammys, mehr als jeder und jede andere Küntsler*in. Bezeichnend dabei: Den Hauptpreis für das "Beste Album" hat sie bisher noch nie gewonnen.

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Wo Licht, da auch Schatten

Zuletzt hat Beyoncé mit ihrem aktuellen Album "Cowboy Carter" die Poleposition der Country-Charts erobert – als erste Schwarze Frau in der Musikgeschichte. Und mit ihrer neuen Whiskeymarke "SirDavis" hievt sie laut Forbes einen großen Schritt näher Richtung Milliardärsstatus.

Doch der heilige Schrein bekommt seit geraumer Zeit immer mehr Risse: Dem Album werden versteckte Plagiate quer durch die musikalische Vergangenheit vorgeworfen – eine Anschuldigung, mit der sich Beyoncé seit Beginn ihrer Solokarriere herumschlagen muss. Auch ihr Perfektionismus wird ihr vorgeworfen: Wenn an einem Album rund 50 Autor*innen mitarbeiten, wo bleibt dann das Persönliche, die faszinierenden Ecken und Kanten? Weil eins ist sicher: Dem Zufall, dem wird in Beyoncés Welt nichts überlassen.

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Den Kontakt mit den Fans scheint sie ohnehin seit langem verloren zu haben, die Aura der mysteriösen Unerreichbarkeit scheint ihr wichtiger zu sein als die Nähe zu den Menschen. Ihr Schweigen ist mittlerweile ohrenbetäubend, könnte man sagen. Sie scheint sich an Queen-Kollegin Elizabeth II. ein Beispiel zu nehmen: "never explain, never complain" ("beschwere dich nie, erkläre dich nie").

In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag, Frau Königin. Mögen Sie die Rufe Ihrer Untergebenen im Luxus-Palast erreichen.