Tour-Sensation: Gall sichert sich nach Gipfelsturm das Bergtrikot
Von Christoph Geiler
Irgendetwas ist mit Felix Gall in diesem Jahr passiert. Dass der Osttiroler ein exzellenter Radfahrer ist, der über spezielle Fähigkeiten verfügt, ist ja kein Geheimnis. Seit seinem Sieg bei der Junioren-WM (2015) wissen die Rad-Insider, dass dieser Felix Gall zu Höherem berufen ist. In dieser Saison gelingt es dem 25-Jährigen nun aber auch, sein enormes Potenzial abzurufen und regelmäßig für Furore zu sorgen. "Ich traue mir viel mehr zu als früher", sagt der Profi aus dem AG2R Citroën Team.
Diese Überzeugung war dem Osttiroler am Mittwoch auch auf der fünften Etappe der Tour de France deutlich anzumerken. Auf den 162,7 Kilometern von Pau nach Laruns stellten sich den Fahrern zwei mächtige Pyrenäenpässe in den Weg – das ist genau das Terrain, das Felix Gall Berge gibt. "Heute greife ich an und gehe in die Fluchtgruppe", kündigte der Osttiroler nach dem Frühstück an und setzte sein Vorhaben erfolgreich in die Tat um.
Kluge Attacke
Der verdiente Lohn für den mutigen und selbstbewussten Auftritt: Tour-Debütant Felix Gall darf fortan das legendäre gepunktete Trikot ausführen – das ist bei der Tour de France die modische Auszeichnung für den Führenden in der Bergwertung. In der langen Tour-Geschichte ist der 25-Jährige erst der zweite Österreicher nach Bernhard Kohl (2008) im gepunkteten Trikot – die Ergebnisse des Wieners wurden aber wegen eines Dopingvergehens annulliert.
Felix Gall gehörte einer riesigen und prominent besetzten Spitzengruppe an, die früh das Heil in der Flucht suchte. Auf dem Weg zum Col de Soudet (1.540), einem Berg der ersten Kategorie, attackierte der Osttiroler und kam als Erster über die Passhöhe. Mit diesen 20 Punkten übernahm Felix Gall die Führung in der Bergwertung, auf dem zweiten Pass, dem Col de Marie Blanque, wurde der 25-Jährige dann noch Zweiter und baute den Vorsprung in diesem Klassement aus.
Gesamtwertung steht Kopf
Auf dem steilen Anstieg musste Felix Gall den Australier Jai Hindley ziehen lassen, der schließlich solo zum Etappensieg und damit auch ins Gelbe Trikot fuhr. Der Profi aus dem Bora-hansgrohe-Team, 2022 Gewinner des Giro d’Italia, brachte genug Vorsprung ins Ziel, um das Klassement auf den Kopf zu stellen. Der bisherige Leader Adam Yates büßte ebenso extrem viel Zeit ein wie sein UAE-Mannschaftskollege Tadej Pogačar (SLO), der zweifache Tour-Sieger aus Slowenien fiel in der Gesamtwertung zurück.
Felix Gall kam in der ersten Verfolgergruppe von Jai Hindley als Dritter ins Ziel. An seiner Seite war dabei auch Titelverteidiger Jonas Vingegaard, der 26-jährige Däne ist in der Gesamtwertung nun der erste Verfolger des australischen Leaders.
Felix Galls Gipfelsturm ins gepunktete Trikot kommt nicht aus heiterem Himmel. Der 25-Jährige hatte zuletzt bereits mit einem Etappensieg bei der Tour de Suisse aufhorchen lassen. „Ich stehe inzwischen mit einem ganz anderen Selbstvertrauen an der Startlinie“, sagt der Osttiroler, der ursprünglich gar nicht für diese Tour de France vorgesehen war.
Nach seinen starken Leistungen im Frühjahr wurde der Osttiroler von seinem französischen Team aber berücksichtigt und zahlte das Vertrauen nun mit der Führung in der Bergwertung zurück. Spätestens damit ist Felix Gall in der Weltspitze angekommen. Wie meinte der 25-Jährige doch gleich: „Ich habe mir einen Namen gemacht.“