Sport/Motorsport

Helmut Marko zu Laudas 70er: "Erfolg nie zu Kopf gestiegen"

Es muss bei einem Bergrennen Ende der 1960er-Jahre gewesen sein, als ich Niki das erste Mal begegnet bin. Ich bin ja sechs Jahre älter und war schon etwas länger aktiv, seit 1967 um genau zu sein. Der Niki war, was Aussehen und Gehabe betroffen hat, ein richtiges Seicherl wie man auf Österreichisch sagt. Er war schmal und blass und kam im Sakko zu den Rennen. Er hat aber alles dafür getan, um uns rasch eines Besseren zu belehren. Bald war mir klar, dass da einer ist, der weiß, was er will. 

Der Motorsport in Österreich erlebte gerade eine erste Blütezeit: Es gab zwei große Rennstrecken in Zeltweg und in Salzburg - eine gewisse Idiotie in einem kleinen Land, aber eben auch eine sehr österreichische Lösung - und es gab natürlich Jochen Rindt, der kurz darauf  mit seinem Tod 1970 eine Lücke hinterließ, die einige junge Rennfahrer ausfüllen wollten, darunter   Niki, Dieter Quester und auch ich.

Medial wurde das als Duell zwischen Quester und mir inszeniert, aber ich hab’ früh erkannt, dass sein wahrer Konkurrent um die Nachfolge der Niki werden wird.

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"Niki Nazionale" - Lauda in der Formel 1:

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Alter Netzwerker

Der Niki hat seinem Karriereplan alles untergeordnet.  In der Formel V ist er einmal selbst mit dem Transporter, in dem der Rennwagen verstaut war, bis nach Finnland gefahren, um zu einem Renneinsatz zu kommen. Die Arbeitseinstellung hat ihn immer ausgezeichnet, er hat  einfach immer versucht, in jedem Bereich einen Vorteil für sich zu suchen. Das Testen der Rennwagen hat er quasi erfunden, uns hat das zu der Zeit nicht wirklich interessiert. Ausgezeichnet auch sein Gespür für Leute, die ihn weiterbringen können. Heute würde man Niki als perfekten Netzwerker bezeichnen.

Rückblickend sind seine finanziellen Deals immer gut gewesen, wenngleich sie damals  hochriskant waren, weil auf Kredit finanziert. Bereits eine Formel-V-Saison kostete damals rund 70.000 Schilling.

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Helmut Marko und Niki Lauda begegnen einander zu der Zeit regelmäßig auf den Rennstrecken in  Europa. Legendär ein Formel-V-Rennen im Rahmen des Großen Preises von Deutschland 1969 auf der Nordschleife des Nürburgrings. Der spätere Sieger Marko und Verfolger Lauda hetzen über den Kurs, Marko soll Lauda in den Straßengraben gedrückt haben.


Niki hat später öfter erzählt, ich sei unfair gewesen. Dabei bin ich einfach nur so lange hinter ihm hergefahren, bis er einen Fehler gemacht hat. Das Herausragende an dem Rennen war aber etwas ganz anderes: Der Drittplatzierte, der damalige Staatsmeister Peter Peter, fuhr erst über das Ziel, als wir schon auf dem Podest gestanden sind. Wir haben einfach auf dem Podium auf ihn gewartet und unsere Witze gemacht.

Schon damals war mir der Niki von allen Gegnern menschlich am nächsten. Wir waren Konkurrenten, aber die Zeit beim Mittagessen oder abends habe ich genossen.

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Der Respekt beruht auf Gegenseitigkeit, wie Lauda einmal in einem Interview bestätigt: „Er hat es geschafft, als studierter Mensch unglaublich schnell Auto zu fahren. Normalerweise habe ich immer gedacht, dass die Cleveren langsam fahren und nur die Dummen schnell sind. Aber Helmut hat mich eines Besseren belehrt.“  Auch in die Formel 1 geht es im Gleichschritt. Lauda und Marko bestreiten am 15. August 1971 in Zeltweg ihren ersten Grand Prix. Für den sauschnellen Marko sollten aufgrund eines Rennunfalls 1972, bei dem er sein linkes Auge verliert, nur noch acht weitere hinzukommen, bei Lauda stehen am Ende 171 Starts und drei WM-Titel in der Statistik.


Das Beachtliche ist, dass dem Niki der Erfolg nie zu Kopf gestiegen ist. Er ist immer derselbe geblieben, das Einzige, das sich verändert hat, war sein Marktwert. Er ist mit seiner Popularität immer sehr souverän umgegangen. Bewundernswert finde ich seine Höflichkeit und Geduld, auch nach dem hundertsten Autogrammwunsch. Da spürt man eine gewisse Demut und Bescheidenheit.

Bescheiden, aber nicht geizig

Apropos Bescheidenheit: Das mit dem Geiz ist so eine Sache. Der Niki ist überhaupt nicht geizig, zwischen Geiz und Bescheidenheit ist ein gewaltiger Unterschied. Er hat nur seine Probleme mit Verschwendung – auch das eint uns. 

Wenn etwas seinen Preis hat, zahlt er den auch. Es ist noch nicht so lange her, da hat er meinen Rat wegen eines Kunstwerks von Markus Prachensky gesucht (Marko ist ausgewiesener Kunstkenner und -sammler, Anmerkung), das er für seine Frau Birgit, die eine Galerie betreibt, erwerben wollte. Er hat nur gefragt: „Ist es das wirklich wert?“

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Überhaupt die Birgit, ein Glücksfall. An ihrer Seite hat er sich für mich am stärksten verändert. Seither gibt es den Familienmensch Lauda. Den kannte ich vorher nicht.

Der Mythos entsteht

Davor war wirklich alles seiner Karriere untergeordnet. Wohl am deutlichsten ist mir das nach seinem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring geworden. Nachdem er aus dem Spital entlasse wurde, war ich ein paar Mal bei ihm in Salzburg zu Gast. Sein Kopf war halb offen, ein schreckliches Bild, und der Willi Dungl ist ständig in die Natur hinaus gerannt, hat Kräuter gesammelt, zu einer Paste verarbeitet und dann dem Niki auf den Kopf geschmiert. 

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Es ging nie darum, ob er auf die Rennstrecke zurückkehrt, sondern nur wann. Beschleunigt wurde das sicher durch das Vorgehen vom alten Ferrari, der mit Carlos Reutemann schon einen Nachfolger präsentiert hatte. Die heroische Wiederkehr hat  seinen Mythos geprägt und seine Popularität vervielfacht. Es ist bis heute der schmerzhafteste PR-Coup, den ich  kenne.

Bis heute ist er ein Kämpfer geblieben, das zeichnet ihn auch in der jetzigen Lebensphase aus. Ich hoffe, dass er  bald auf die Rennstrecken zurückkehrt. In dem Wunsch schwingt durchaus auch  Eigeninteresse mit. Ich muss gestehen, mir gefällt die Rolle nicht, der letzte Saurier aus einer vergangenen Formel-1-Ära im Fahrerlager zu sein.

In diesem Sinne: Alles Gute und vor allem viel Gesundheit.

Anmerkung: Helmut Marko, Jahrgang  1943, begann seine Rennfahrerkarriere nach Abschluss des Jusstudiums. 1971 siegte der Grazer bei den 24 Stunden von Le Mans. Aktuell ist er Motorsportberater von Red Bull.