Daniel Ricciardo: „Aus dem Schuh schmeckt es nur auf dem Podium“
Von Florian Plavec
Daniel Ricciardo muss sich auf die neue Situation erst einstellen. Erstmals kommt der 29-jährige Australier nicht als Red-Bull-Pilot auf den Red-Bull-Ring. Und erstmals gehört er nicht zu den sechs Fahrern aus den drei großen Teams, die seit Jahren die Formel 1 prägen.
Doch wie ist es dazu gekommen? Hat sich Ricciardo verspekuliert?
Hoch gepokert
Nach seinem Sieg im Vorjahr in Monaco, seinem siebenten und letzten für Red Bull, ließ sich Ricciardo mit der Unterzeichnung eines neuen Red-Bull-Vertrages lange Zeit. „Ich war zu diesem Zeitpunkt überzeugt, dass ich viele Optionen habe“, sagt er. Er pokerte hoch, hoffte auf einen Kontrakt bei Mercedes oder Ferrari. Doch plötzlich waren sowohl bei den Silberpfeilen (Bottas) als auch bei der Scuderia (Leclerc) die Türen zu. Es blieb Renault, französisches Werksteam mit Geld und Tradition, bezeichnet als „schlafender Gigant“.
Noch fahren Ricciardo und sein deutscher Teamkollege Nico Hülkenberg hinterher. Doch trotz der mäßigen Bilanz (ein sechster Rang ist sein bestes Saisonergebnis) hat Ricciardo seine Laune und sein herzliches Lachen nicht verloren. In Spielberg sprach er über ...
... den „schlafenden Giganten“: Möglicherweise ist er das. Aber noch haben wir nicht genug dafür getan. Der Motor ist sehr stark, er hat sicher mehr Power als im Vorjahr. Der sechste Rang in Montreal war ein gutes Zeichen. Bottas hatte dort Schwierigkeiten, mich zu überholen. Doch solche Leistungen müssen wir öfter bringen.
... die Saison: Es war nicht katastrophal, aber es hätte definitiv besser laufen können. Derzeit merke ich, dass wir Fortschritte machen. Wir haben einiges geändert. Die Mentalität ... In Montreal waren wir Vierte im Qualifying, aber jeder wusste: Wir müssen ganz nach vorne. Diese Einstellung gefällt mir.
... seine Entscheidung, zu Renault zu gehen: Red Bull war toll. Aber ich war fünf Jahre dort und konnte nicht den Titel gewinnen. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass das bald passieren kann, ich hätte bei Red Bull nicht den nächsten Schritt machen können. Ob ich es hier schaffe, ist offen. Aber ic h habe zumindest das Gefühl, dass es möglich ist. Ich investiere mehr Stunden in die Arbeit mit dem Team, und ich genieße es. Meine Augen und mein Hirn öffnen sich gerade für neue Dinge und neue Beziehungen zu Menschen.
... seinen langjährigen Chef bei Red Bull, Helmut Marko: Red Bull hat meine Karriere befeuert. Emotional bin ich Helmut nahe, physisch nicht (lacht). Obwohl: Ich habe ihn in Montreal umarmt, und das hat sich gut angefühlt. Dort wollte ich ihm auch etwas schenken. Aber Helmut hat ja schon alles. Er interessiert sich für Kunst, doch ich wollte jetzt keine halbe Million Dollar für ein Kunstwerk ausgeben. Also habe ich ihm einen Helm von unserem letzten gemeinsamen Red-Bull-Jahr geschenkt. Eine sehr persönliche Erinnerung.
... Mercedes: Wenn wir die Startaufstellung umdrehen, kann man sie vielleicht stoppen (lacht). Aber ganz sicher bin ich mir auch da nicht. Es ist eindrucksvoll, was die schaffen – und es ist frustrierend für uns. Sie setzen die Maßstäbe, Jahr für Jahr, und sie lassen nicht locker. Man kann von Mercedes leider nicht verlangen, dass sie langsamer werden.
... seinen 30. Geburtstag: Ich werde mich am Montag mit ein paar Freunden in London in einem Pub auf ein Bier treffen und ein bisschen feiern. Wenn das Rennen gut ist, wird die Feier vom Sonntag bis in den Montag hineinreichen.
... den „Shoey“, sein Markenzeichen, wenn er den Siegerchampagner aus dem Schuh trinkt: Ich vermisse es. Ich habe überlegt, diese Aktion irgendwo anders wieder zu machen. Aber es schmeckt nur auf dem Podium richtig gut.