Herz schlägt Hirn: Als Box-Legende Hans Orsolics das Glück verließ
Von Wolfgang Winheim
Von Kulturgrößen bis zu Damen des käuflichen Gewerbes – quer durch alle Schichten war man in den 60ern aufgeregt am Boxring gesessen. Hans Orsolics hatte in spektakulären EM-Kämpfen für eine ausverkaufte Wiener Stadthalle gesorgt. Und sich nach Haftstrafen 1987 mit seinem "Patscherten Leben" an die Spitze der Hitparade gesungen. Vor seinem 75. Geburtstag am Samstag gebietet es der Anstand, ihn nicht ans Mikrofon zu holen.
Orsolics ereilte das Schicksal eines Boxprofis, bei dem zu oft Herz über Hirn dominierte. Dass den Rauchfangkehrer aus Kaisermühlen das Glück verließ – daran waren auch geldgierige Veranstalter schuld. Ein WM-Kampf schien fix. Davor hetzte man ihn noch für einen Aufbau-Fight in den Ring. Ignorierend, dass es sich bei Eddie Perkins um einen K.-o.-Spezialisten handelte. Orsolics erschrak bei der Abwaage.Hatte man ihm doch verschwiegen, dass er es mit einem Modellathleten zu tun bekam. Obwohl schwer k.o. geschlagen, teilte "Hanseee" bald danach wieder aus, steckte aber noch meh ein. Nicht ohne gesundheitliche Folgen. Der Absturz war vorprogrammiert.
Als Wirt im 15. Bezirk wurde er unter Alkoholeinfluss provoziert. Das habe er sich öfter nicht gefallen lassen, gestand er dem Ex-Europameister Josef "Jo Tiger" Pachler. Pachler war nie so populär, ging aber nie ernsthaft k.o. – so wurde der Kärntner zum Beweis, dass Boxen nicht der Gesundheit schaden muss. Er lief 25 Marathons, brachte beim Militär Ski-Olympiasieger Matthias Mayer Grundschläge bei, leitet noch heute mit 72 Fitnesskurse.
Mehr noch als Pachler wusste Sigi Bergmann über Orsolics zu erzählen. Er hatte ihm einen Job in der ORF-Druckerei verschafft, auch ein Buch über Hansi verfasst. Von der Sportreporter-Legende musste im März Abschied genommen wurde. Am Vorabend des Begräbnisses rief Pachler bei Orsolics an. Hoffend, sein einstiges Idol anderntags sehen zu können. Seine ihn pflegende Frau Roswitha musste absagen. Hansis Gesundheitszustand lässt Ausgänge nicht mehr zu.