Sport/Fußball

Robin Gosens: Vom Nobody zum gefeierten deutschen EM-Helden

Robin wer? Noch vor wenigen Wochen war er weitgehend unbekannt und nur wahren Fußball-Experten ein Begriff. Selbst in Deutschland wunderte man sich, warum Joachim Löw ihn zur EURO mitnahm.

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Ein Tor, zwei Assists und einen 4:2-Sieg gegen Portugal später ist Robin Gosens der gefeierte Held. Die Deutschen sind wieder im Rennen um den EM-Titel – dem 26-Jährigen sei Dank. Beliebt ist er aber nicht nur wegen seiner Leistungen auf dem Platz, sondern auch wegen seiner flotten Sprüche. Da erinnert Gosens stark an Lukas Podolski, mit dem ihm auch eine gewisse optische Ähnlichkeit attestiert wird.

Seine Karriere verlief jedoch komplett anders. Dass er in Deutschland bis vor Kurzem noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt war, liegt auch daran, dass er in seiner Heimat weder eine Nachwuchsakademie besucht, noch bei einem Profi-Verein gespielt hat (bei Dortmund fiel er 2011 durchs Probetraining). Der KURIER wirft einen Blick auf den ungewöhnlichen Weg des Atalanta-Bergamo-Legionärs zum Helden der Nation.

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Rauschende Nacht

Aufgewachsen ist Gosens rund 500 Meter von der niederländischen Grenze entfernt. Die Mutter ist Deutsche, der Vater Holländer – Robin ist Doppelstaatsbürger. Ursprünglich wollte er Polizist werden, wie der Opa. Dann kam ihm jedoch der Fußball in die Quere. Sein Weg führte ihn über diverse Amateurvereine in die Niederlande. Entdeckt wurde er im Alter von 17 Jahren bei einem Spiel des VfL Rhede. Gosens hatte ein Tor erzielt, toll gespielt – obwohl er die Nacht zuvor durchgefeiert hatte. Nach Schlusspfiff sprach ihn ein Scout an und wollte ihn zu einem Probetraining bei Vitesse Arnheim einladen. In seiner Biografie „Träumen lohnt sich: Mein etwas anderer Weg zum Fußballprofi“ verrät er: „Ich musste irgendwie versuchen, zu kaschieren, dass ich bis sechs Uhr feiern war und noch immer Restalkohol im Blut hatte. Zur Sicherheit atmete ich außerdem in eine andere Richtung.“

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Mit Erfolg: Der linke Flügel wechselte zu Vitesse, später zu Heracles Almelo. Bis ihm 2017 schließlich der Sprung nach Italien gelang. Atalanta Bergamo zahlte damals eine Million Euro. Mittlerweile ist Gosens absoluter Leistungsträger dort, er schaffte mit seinem Verein gerade zum dritten Mal in Folge den Sprung in die Champions League – und das als torgefährlichster Verteidiger der Serie A (elf Treffer).

Sein Marktwert liegt aktuell bei 35 Millionen Euro, Tendenz steigend. Wie lange ihn Atalanta noch halten kann ist, ist fraglich: Der Vertrag läuft bis 2023, nach seiner Show gegen Portugal haben Top-Klubs wie Manchester City und Paris St-Germain Interesse bekundet.

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Alaba als Idol

Eigentlich jede Menge Gründe, um abzuheben. Doch diese Angst hat man bei Gosens nicht, er wirkt wie die Bodenständigkeit in Person. Als Vorbilder neben dem Rasen nennt er seine Eltern: „Sie haben mich zu einem sehr vernünftigen jungen Mann herangezogen.“ Als Vorbild auf dem Platz nennt er – für viele überraschend – Österreichs Aushängeschild David Alaba.

Gosens erklärt: „Er ist zwar nur zwei Jahre älter als ich, hatte aber seinen Durchbruch, als ich noch beim Dorfverein gekickt habe. Seine Vielseitigkeit ist beeindruckend.“ Wie Alaba zu Beginn seiner Karriere spielt Gosens auf der linken Seite. Dort kann er sich ausleben und überzeugt nicht nur defensiv, sondern auch in der Offensive: „Das ist eine Stärke von mir, dass ich am zweiten Pfosten lauern und eine Hütte machen kann.“

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Sympathiepunkte sammelt der Psychologie-Student aber nicht nur auf dem Rasen, sondern auch vor den Mikrofonen. Nach dem 4:2 gegen Portugal forderte er einen TV-Reporter sogar auf, handgreiflich zu werden: „Du kannst mich gern mal zwicken, auch da glaube ich es nicht.“ Immer ein cooler Spruch auf den Lippen. Selbst von Thomas Müller lässt er sich nicht aus der Fassung bringen. Der Routinier stichelte spaßhalber gegen den Teamkollegen, dieser habe nur 60 Minuten durchgehalten, weil er in Italien spiele. Gosens’ Konter saß: „Besser 60 gute Minuten als 90 schlechte.“

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Die Nummer 20 hält zwar erst bei sieben Länderspielen, gehört aber bereits zu den Schlüsselfiguren im Team. Als Exot sieht er sich nur, weil „ich weiß, dass ich einen anderen Weg gegangen bin als alle, die hier dabei sind. Aber in der Truppe fühle ich mich überhaupt nicht als Exot.“ Matthias Ginter bestätigt: „Robin ist ein total offener Typ, der wahnsinnig viel positive Energie mit reinbringt.“

Energie, die ganz Deutschland weiter vom Titel träumen lässt. Und dann wird mit Sicherheit keiner mehr fragen: Robin wer?