"Mut bewiesen": ÖFB-Frauen zwischen guter Vorstellung und verpasster Chance
Das Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft der Frauen in Manchester hat gehalten, was es versprochen hat. Die Gastgeberinnen aus England empfingen mit Österreich das Sensationsteam der letzten EM im Jahr 2017. Zwar waren die Britinnen klar als Favoritinnen ins Spiel gegangen und dominierten die meiste Zeit auch, dennoch war der Ausgang des Auftaktspieles denkbar knapp.
Nur ein - aus Sicht der Österreicherinnen - unglückliches Tor entschied das Spiel. Die ÖFB-Frauen nehmen null Punkte aus der ersten Partie der Gruppe A mit.
Das tut Teamchefin Irene Fuhrmann, nach eigenen Angaben, "weh nach so einer Leistung". Ihr Team habe "ordentlich" gespielt, vor allem in der zweiten Halbzeit konnten die ÖFB-Spielerinnen "auch die eine oder andere Torchance erarbeiten". "Natürlich hat England das Spiel dominiert. Aber ich bin stolz auf die Art und Weise unseres Auftritts." Im Offensivspiel habe in der letzten Linie die Geschwindigkeit ebenso wie die Durchschlagskraft gefehlt. "England ist eine absolute Topmannschaft. Wir haben zweimal gegen sie gespielt im letzten Jahr, wir sind das einzige Team, das gegen sie nur je ein Tor kassiert hat." Insgesamt hat Österreich heute das achte Spiel gegen England verloren. Punkten konnte man noch nie. "Wenn wir jetzt gegen Nordirland wieder mutig und mit der Überzeugung auftreten, dann können wir gewinnen."
Auch Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil war so kurz nach Abpfiff "enttäuscht". Dennoch habe man "gegen einen Favoriten richtig gut dagegen gehalten". Es sei "schade", dass es nicht zu einem Punkt gereicht hat. "Wir sind nur als Team stark, das haben wir heute gezeigt. Gegen England darf man aber verlieren, wir haben noch zwei Spiele. Wir können super kicken, das gilt es in den nächsten Spielen zu beweisen."
"Ich bin enttäuscht über das Ergebnis, weil ich jedes Match gewinnen möchte", sagt Torfrau Manuela Zinsberger, die ausgerechnet von ihrer Arsenal-Kollegin Beth Mead in der 16. Minute bezwungen wurde. "Auf der anderen Seite bin ich stolz auf das Team und darauf wie wir unser Land repräsentiert haben."
Die ÖFB-Truppe ließ sich vom frühen Gegentor nicht aus dem Konzept bringen, hatte aber auch Glück, dass es zur Pause nur 0:1 stand. Danach waren die Engländerinnen nicht mehr so gefährlich, auf ÖFB-Seite kam allerdings auch nur Barbara Dunst mit einem schönen Schuss (78.) an den Ausgleich nahe heran. "Wir haben in der zweiten Hälfte eine gute Reaktion gezeigt, offensiv mehr Mut bewiesen, insgesamt hat England aber das Spiel doch verdient gewonnen", meinte Teamchefin Fuhrmann.
Auf Routine gesetzt
Sie hatte zum Auftakt der 2. ÖFB-EM-Teilnahme auf Routine gesetzt, mit den zuletzt angeschlagen gewesenen Laura Feiersinger, Carina Wenninger und Kapitänin Viktoria Schnaderbeck in der Startelf. Mit Laura Wienroither war nur eine Akteurin dabei, die 2017 noch nicht im Kader stand.
"Wir haben gesehen, dass Souveränität und Reife Bonuspunkte unserer langjährigen Teamspielerinnen sind, sie sich auf diesem Niveau weiterentwickelt haben", erläuterte Fuhrmann. Laut Schnaderbeck habe viel Erfahrung hineingespielt, um gewisse Entscheidungen richtig zu treffen, Ruhe zu bewahren und souverän zu agieren.
Rekordkulisse
Und das vor einer neuen EM-Rekordkulisse von 68.871 Zuschauern im "Theatre of Dreams". Die Welle ging mehrmals durchs Stadion, auch sonst war der Lärmpegel oftmals sehr hoch. "Die Atmosphäre war fantastisch, wir haben uns davon aber nicht beeindrucken lassen. Wir haben das gut ausblenden können", meinte Fuhrmann. Für alle wird es ein Spiel für die Ewigkeit bleiben. "Es war einfach ein unglaubliches Erlebnis", betonte Zadrazil.
Für Schnaderbeck wurde ob der vielen Verletzungen "ein kleiner Traum" wahr. "Für mich ist es wieder knapp geworden, aber ich habe auflaufen können und das Knie ist gut. Das ist sehr positiv für mich", sagte die England-Legionärin. Die Auswechslung in der 77. Minute war vor allem eine Vorsichtsmaßnahme. "Ich wollte nicht über den Punkt drübergehen, dass ich was kaputt mache", erläuterte die 31-Jährige. Neue kleine Verletzungssorgen gibt es dafür bei Feiersinger, die an der Schulter angeschlagen ausschied. Auf eine längere Pause deutete vorerst aber nichts hin.
Ob sie am Montag in Southampton mitwirken kann, wird sich weisen. Da wird die ÖFB-Truppe Favorit sein. "Diese Rolle nehmen wir gerne an", betonte Schnaderbeck. Auch Zadrazil ist sich dessen bewusst: "Heute war ein Bonusspiel für uns. Gegen Nordirland aber müssen wir einfach gewinnen, wenn wir ins Viertelfinale wollen." Ausschlaggebend könnte am Ende im Kampf um einen Top-Zwei-Platz in der Gruppe A auch das Torverhältnis sein.
"Mut und Kraft"
"Es ist ein Unterschied ob du 0:1 oder 0:4 verlierst. Jedes Tor, das du machst, oder nicht kriegst, zählt. Man hat gesehen, dass wir die Reife und mentale sowie sportliche Stärke in der Mannschaft haben, damit nach dem 0:1 nicht gleich das nächste Gegentor passiert", sagte Schnaderbeck. EM-Titelverteidiger Niederlande hatte zuletzt etwa eine 1:5-Test-Schlappe kassiert, die Schweiz mit 0:4 verloren. "Es ist nie schön mit einer Niederlage ins Turnier zu starten, aber wir sind das einzige Team gegen das England in der letzten Zeit nur ein Tor erzielt hat. Dass muss uns Mut und Kraft für die nächsten Challenges geben", sagte Fuhrmann.
Im Vergleich zum 0:1 in Sunderland in der WM-Quali im Herbst sei die Sache "bei weitem nicht so eindeutig" gewesen. "Wir dürfen daher das Positive mitnehmen, auch wenn ich gemischte Gefühle habe, weil wir natürlich was mitnehmen wollten", verlautete Schnaderbeck. Sie tauschte mit ihrer ehemaligen Arsenal-Kollegin Leah Williamson nach Schlusspfiff das Trikot. Dabei gab es Lob vonseiten der Siegerin. "Wir waren uns einig, dass es Kleinigkeiten sind, die das Spiel ausmachen."
Auch die englische Teamchefin Sarina Wiegman lobte Österreich. "Es war ein hartes Spiel, Österreich war ein guter Gegner." Mit der eigenen Leistung war sie allerdings nicht ganz zufrieden. "Wir haben zwei verschiedene Gesichter gezeigt. Der Start war ganz gut, wir haben das Spiel dann dominiert. In der zweiten Halbzeit haben wir dann manchmal besser gespielt, manchmal weniger gut. Österreich hatte dann noch Chancen."