Das Happel-Stadion als Spielwiese der Rockstars
Von Wolfgang Winheim
Wanda, Bilderbuch, Imagine Dragons, Weezer, Green Day – in dem nach der Fußball-Ikone Ernst Happel benannten Wiener Stadion fanden heuer bereits mehr Konzerte als Fußball-Spiele statt.
Am 2. Juli bringen die Toten Hosen Leben in die Prater-Bude, am 13. rocken Guns n’ Roses, am 15. gibt Mick Jagger mit den Rolling Stones seinen legendären Ton an – kurz vor seinem 79. Geburtstag in dem Betonoval, das zwölf Jahre älter ist als er. Ehe dort – wenn überhaupt – wieder die Kugel rollt, wird Anfang September mit Ed Sheeran der meistgestreamte Künstler der Welt Stimmungsgarant sein. Im Sommer 2023 werden Zigtausende bei Bruce Springsteen auf dem Stadion-Rasen für Flurschaden sorgen.
Der Sport spielt in Österreichs größter Sport-Arena nur noch die zweite Geige. So ist die Kunststofflaufbahn seit mehr als 20 Jahren nicht einmal für nationale Leichtathletik-Meisterschaften geeignet. Gar schon in den späten 80ern hatte Wiens damaliger Bürgermeister Helmut Zilk (begleitet vom Applaus vieler Wiener) die Nationalkicker ultimativ wissen lassen, dass sie vom Prater-Stadion ausgesperrt werden, sollten sie nicht besser spielen.
Solche Worte würde die aktuelle Spielergeneration eher als Versprechen denn als Drohung interpretieren. Wird doch das Wiener „Fußball-Museum“ (so ausländische Gäste) internationalen Ansprüchen nicht gerecht. Zudem gibt es mit Salzburg und Klagenfurt moderne Alternativen. Wobei sich auch dort Misston an Misston reihte.
Die Wörthersee-Arena war in Jörg Haiders Ära im Vorfeld der Heim-EM 2008 in Wahrheit nur mit faulen Millionen der (inzwischen liquidierten) Hypo-Alpe-Adria-Bank entstanden. 2019 wurden die Kicker der Klagenfurter Austria aus dem Stadion verbannt und 299 Bäume auf dem Feld gepflanzt. Für ein Kulturprojekt, das in Europas Sportmedien ähnlich viel Spott auslöste wie kürzlich das von dänischen Teamspielern nach deren Sieg entdeckte Loch im Prater-Rasen.
In Salzburg hatte um die Jahrtausendwende eine Kulturlobby den Stadion-Bau verhindern wollen. Ebenso erfolglos forderten Anrainer (auch gewerbliche) nach der EM 2008 den Rückbau auf 15.000 Plätze. Nicht zuletzt dank Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz durften und dürfen 30.000 Fans die Salzburger in der Champions League sehen.
Im Happel-Stadion wurde die zweite Video-Wall, die bei Europacup-Endspielen Pflicht ist, sofort nach der Heim-EM wieder abmontiert. Kein Thema ist für die Wiener Rathausmänner ein Stadion-Um-, geschweige denn ein Neubau.
Sollten Rufe nach so einem als Reaktion auf Länderspielsiege doch wieder laut werden, bräuchte der wortgewaltige (in die Zilk-Schule gegangene) Sportstadtrat Peter Hacker nur eine Bürgerumfrage zu lancieren. Diesbezügliche Erfahrungen in europäischen Demokratien (z.B. vor Olympia-Kandidaturen) nämlich zeigten: Die Nein-Sager sind mit dem Argument „Nicht mit unserem Steuergeld“ stets in der Mehrheit. In Zeiten wie diesen nicht einmal unverständlich.