Countdown zum Super Bowl: "Hier gibt es keine Hooligans"
Von Peter Gutmayer
Man könnte meinen, es ist schon wieder Weihnachten. Doch das Funkeln in den Augen von Chris Calaycay hat einen ganz anderen Grund: In der Nacht von Sonntag auf Montag steigt in Los Angeles Super Bowl LVI. "Das ist für uns Amerikaner ein Feiertag", freut sich der Trainer der Vienna Vikings, der auf Hawaii geboren und in Oregon aufgewachsen ist, schon auf die Partie der Los Angeles Rams gegen die Cincinnati Bengals.
Tatsächlich erfreut sich das größte Einzelsportereignis der Welt aber auch unter den Österreichern immer größerer Beliebtheit. Calaycay spielte bis zum College in den USA, ehe er nach Wien übersiedelte und mit den Vikings zuerst als Spieler und dann als Trainer große Erfolge feierte. Der 45-Jährige hat in den letzten gut 20 Jahren tatkräftig mitgeholfen, auch in Österreich die Begeisterung für das "Eierlaberl" zu entfachen. Was ihn am Football-Sport neben den taktischen Finessen und beinharten Tacklings so fasziniert? "Es gibt keine Hooligans. Die Fans der verschiedenen Teams feiern gemeinsam, grillen auf dem Parkplatz. Und dann schauen sie sich das Spiel an."
Dass sich in seiner neuen Heimat so viele Leute daran stören, dass es beim Football so viele Pausen gibt, kostet ihn nur ein Lächeln: "Weil sie alle Fußball gewohnt sind." Ein Football-Spiel ist nicht nur ein Spiel, es ist ein Event. Die Werbepausen werden zelebriert, die Halbzeitshow im Superbowl dient den größten Stars der Musikszene als Bühne. Als Favorit auf den Titel sieht Calaycay heuer die Rams: "Sie haben viele große Namen, sind ,all in‘ gegangen." Die Daumen drückt er jedoch den jungen Bengals: "Ich bin immer für den Underdog."
Österreich im Aufwind
Gefallen findet er auch daran, wie sich Football in Europa entwickelt. "Das Problem war lange , dass in den verschiedenen Ländern nach verschiedenen Regeln gespielt wurde." Die neu gegründete European League of Football (ELF), in der die Vikings genau wie die Raiders aus Tirol ab Sommer spielen, sieht er als großen Schritt. Die Strukturen ähneln sehr dem amerikanischen Vorbild. Wie in der NFL wird es Profi-Spieler geben. "Jetzt verdienen sie Geld, anstatt Mitgliedsbeitrag zu zahlen." Calaycay fiebert den Spielen gegen Teams aus Deutschland, Polen, Spanien und der Türkei entgegen: "Es weht ein neuer Wind in Football-Österreich."
Die NFL erobert Österreich. Doch wie sieht es umgekehrt aus? "2022 wird ein Österreicher in der NFL spielen", prophezeit Calaycay. Mit Bernhard Seikovits (Cardinals) und Sandro Platzgummer (Giants) haben schon zwei angeklopft. Die besten Chancen hat jedoch Bernhard Raimann. Der 24-Jährige gilt bei der jährlichen Talentebörse als heiß begehrt. "Er wird in der ersten Runde gewählt", glaubt Calaycay, der mit seinem ehemaligen Schützling in Kontakt steht.
Zunächst gilt die volle Konzentration jedoch dem Superbowl, den er als TV-Experte auf Puls 4 begleiten wird. Den Montag wird er nicht blaumachen – im Gegensatz zu vielen seiner Landsleute. An keinem Tag melden sich in den USA mehr Leute krank als an jenem nach dem Superbowl.