"Völlig inakzeptabel": Scharfe Kritik an deutschen Einreiseregeln
Seit Sonntagmitternacht ist die neue Einreisverordnung Deutschlands in Kraft. Das letzte Wort dazu dürfte aber noch lange nicht gesprochen sein.
Immerhin für "systemrelevante" Berufspendler aus dem "Mutationsgebiet" Tirol soll es aber Ausnahmen geben. Nach Protesten der EU und aus Österreich wurde diese Nachbesserung erst Sonntagmittag bekannt.
Für die österreichische Bundesregierung ist das jedoch noch zu wenig. "Die de facto Sperre des großen und kleinen deutschen Ecks für Österreicherinnen und Österreicher ist absolut inakzeptabel. Diese Maßnahme von Bayern ist unausgegoren und löst nur Chaos aus", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntag in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
Die - angedrohte - Grenzschließung hatte schon in den vergangenen Tagen für Verstimmungen zwischen Tirol und Bayern gesorgt.
"Überschießend"
Auch Außenminister Alexander Schallenberg forderte "Maß und Ziel" strengerer Maßnahmen und warnte vor "überschießenden Schritten, die mehr schaden als nützen. Das habe ich heute auch meinen deutschen und italienischen Amtskollegen Heiko Maas und Luigi Di Maio mitgeteilt", so Schallenberg. Noch am Sonntag würden zudem sowohl der deutsche als auch der Italienische Botschafter zu einem Gespräch im Außenministerium erwartet.
247 Personen durften nicht einreisen
Wie ein Sprecher der Bundespolizeidirektion München dem KURIER mitteilte, wurden an der bayrisch-tirolerischen Grenze in den ersten zehn Stunden nach Inkrafttretens der Einreiseverordnung mehr als 1.000 Reisende kontrolliert. Etwa ein Viertel – konkret 247 Personen – durften nicht einreisen.
Die Bestimmungen für die Einreise sind laut deutschem Innenministerium zunächst auf zehn Tage befristet – also bis zum 23. Februar. Danach könnten sie weiter auf bis zu maximal drei Monate verlängert werden.
Wer künftig in Bayern einreisen will, muss seinen Arbeitsvertrag dabeihaben und an der Grenze vorzeigen. Offen ist freilich noch immer, welche Berufsgruppen nun genau "relevant" sind. Bis Dienstag soll eine Liste vorliegen.
Fest steht jedenfalls, dass die Berufspendler neben der Bescheinigung des Arbeitgebers auch einen negativen Corona-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, vorlegen müssen. Auch eine digitale Anmeldung ist erforderlich.
Ausnahmen gibt es außerdem für Ärzte, Kranken- und Altenpfleger sowie für Lastwagenfahrer und landwirtschaftliche Saisonkräfte. Für alle anderen Reisenden gilt ein Einreisestopp.
Platter zu Söder: "Letztklassig"
Zuvor hatte bereits der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter seinem Ärger auf Facebook Luft gemacht. "Seit Wochen lässt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder keine Gelegenheit aus, um Attacken gegen Tirol zu reiten. Diese ständigen abschätzigen Bemerkungen sind letztklassig und eines Ministerpräsidenten nicht würdig. So geht man mit Nachbarn nicht um", schrieb der ÖVP-Politiker.
Den von Söder erhobenen Vorwurf, dass Tirol die Pandemiebekämpfung nicht ernst nehmen würde, wies Platter zurück. "Tirol hat aktuell die niedrigste 7-Tages-Inzidenz in Österreich - niedriger als in vielen bayerischen Landkreisen."
Auch Nehammer reagierte auf die Kritik an Tirol: "Mit dem Finger auf das Bundesland Tirol zu zeigen, ist vielmehr eine Provokation, als eine geeignete Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie und ihrer Auswirkungen", sagte er am Sonntag.
Der Innenminister sah "auch für die Versorgungssicherheit in weiten Teilen Europas eine Gefahr - die vom bayrischen Ministerpräsidenten wohl bewusst negiert wird. Tirol ist nicht der Parkplatz Europas, sondern vielmehr die bedeutendste Verbindungsachse zwischen dem Süden und dem Norden der europäischen Staaten."
Auch Italien hat mit Sonntag die Einreiseregeln für Österreicher verschärft. Reisende aus Österreich nach Italien müssen sich einem Corona-Test und einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen, sieht eine neue Verordnung von Gesundheitsminister Roberto Speranza vor. Die Maßnahmen gelten für jede Person, die sich für einen Zeitraum von mehr als 12 Stunden in Österreich aufgehalten hat.
In Tirol gab es mit Stand Sonntag insgesamt 251 Verdachtsfälle der südafrikanischen Coronavirus-Mutation. Die ansteckendere Variante hat sich in Teilen Tirols und vor allem im Bezirk Schwaz stärker verbreitet als anderswo in Europa. Deswegen war am Sonntag das Einreiseverbot für Tiroler nach Deutschland in Kraft getreten.