Politik/Inland

U-Ausschuss: 86 Mal keine Erinnerung und eine Anzeige

Eine Plexiglaswand trennt die Abgeordneten von der Auskunftsperson. Das ist der Covid-19-Standard im Untersuchungsausschuss.

Bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) stand am Donnerstag – gefühlt – aber kein Plexiglas, sondern eine Ziegelmauer. Selten zuvor war die Distanz zwischen Fragenden und Befragtem größer.

„Keine Erinnerung“, lautete so auch die Kernaussage von Blümel. Seine Erinnerungslücken führte der Finanzminister durchaus variantenreich aus.

Das Repertoire des Regierungsmitglieds reichte von „Nicht dass ich wüsste“ über „Ich kann für mich ausschließen, davon etwas zu wissen“ bis hin zu „Bitte erwarten Sie sich nicht von mir, dass ich mich an die Gespräche von allen geplanten und ungeplanten Treffen erinnere“.

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Gezählte 29 Mal hatte am Dienstag Bundeskanzler Sebastian Kurz Erinnerungslücken. Dann kam Gernot Blümel. Der Kurz-Vertraute, der in der ÖVP/FPÖ-Koalition Regierungskoordinator war, toppte die Bilanz seines Parteichefs locker: 86 Mal ließ er die Abgeordneten ins Leere laufen.

Nicht zuletzt deshalb hat die SPÖ eine Anzeige gegen Blümel wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss angekündigt.

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Fraktionsführer Kai Jan Krainer hält es für schlicht unglaubwürdig, „dass sich jemand nach zwei Jahren in einem Ministeramt an so wenig erinnern kann“ – zumal die Dinge, die man wissen wollte, nur wenige Jahre zurückliegen.

Vieles will Blümel erst aus den Medien erfahren haben. Neben Peter Sidlos Aufstieg in den Vorstand der Casinos Austria sei dies auch in der Schredder-Affäre so gewesen, bei der ein Kabinettsmitarbeiter des Kanzlers unter falschem Namen und auf unübliche Weise Kopierer-Festplatten hatte vernichten lassen. Diese Causa sieht der einstige Kanzleramtsminister mittlerweile als abgehakt.

Zur Schredder-Affäre meinte Blümel außerdem, dass die „ordnungsgemäße Übergabe“ von Datenträgern in der Verantwortung der Mitarbeiter gelegen sei.

Minister ohne Laptop

Viel zu übergeben dürfte Blümel übrigens nicht gehabt haben. Denn was die Technik angeht, war Blümel durchaus bescheiden ausgestattet. Im Ausschuss erklärt er, er habe lediglich ein Handy als Arbeitsmittel benutzt, denn: „Meine Arbeitsweise ist eine effiziente.“

Fast auf einen Eklat steuerte der U-Ausschuss zu, als Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper von Blümel wissen wollte, ob der Finanzminister eine persönliche Wahrnehmung zum Drogenkonsumermittlungsverfahren gegen ÖBAG-Chef Thomas Schmid habe. Blümel antwortete, dass er vom Aufsichtsrat über die Ermittlungen informiert worden sei. Das war der Neos-Frontfrau zu wenig: „Ja oder Nein.“ Blümel schwieg, trank Wasser – oder zog sich auf die Position zurück, er habe die Frage schon beantwortet. Ein paar Runden später gab Blümel bei Krainer (SPÖ) dann doch die Antwort: Nein, er hatte nie eine Wahrnehmung dazu.

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„Bin fast ausgeflippt“

Ganz anders lief der Auftritt von Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner ab. Als Aufsichtsratschef der Casinos Austria gilt er als Beschuldigter im Casinos-Verfahren. Sprich, Rothensteiner hätte die Möglichkeit gehabt, einen Entschlagungsmarathon hinzulegen. Das ersparte er aber den Mandataren. Wortreich schilderte Rothensteiner chronologisch, wie es zu der Bestellung Sidlos gekommen war. Man habe ein neues, modernes Team aufstellen wollen, die Trennung von Dietmar Hoscher (ein SPÖ-Mann) sei unvermeidlich gewesen, da dieser nicht für einen „dynamischen, zukunftsorientierten Leitungsstil“ gestanden sei. „Überhaupt war Herr Magister Hoschers Präsenz für dieses Unternehmen überschaubar“, sagte Rothensteiner.

Zur umstrittenen Bestellung von Peter Sidlo in den Vorstand des Unternehmens sagte Rothensteiner, dass es „persönliche Ressentiments“ waren, die ihn an Sidlo zweifeln ließen. „Als mich Sidlo fragte, ob es in den Casinos einen Job für einen FPÖler gibt, bin ich fast ausgeflippt.“

In der Zusammenarbeit habe sich aber herausgestellt, dass Rothensteiners persönliche Befindlichkeiten eher unberechtigt gewesen seien.

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Rothensteiner nahm dann Sidlo beruflich in Schutz. Dessen Absetzung nach Aufkommen der Causa sei allein wegen dessen Verhaltens in dieser Zeit erfolgt. Politische Einflussnahme habe es jedenfalls nie gegeben, beteuerte Rothensteiner, denn „eine Vorstandsbestellung, die nicht in den Interessen der Casinos Austria steht, würde ich nie unterstützen“.

Der stellvertretende Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl hinterfragte bei Rothensteiner, warum er denn einen Termin beim mächtigen Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek bekommen hatte. Darauf antwortete Rothensteiner sehr offen: „Das war kein dramatisches Gespräch. Ich kenne Pilnacek schon seit vielen Jahren. Da ich noch nie so etwas hatte, wollte ich fragen, wie so ein Verfahren abläuft.“

Außerdem fand es Rothensteiner ein „bisserl strange“, dass er viele Wochen nach der Hausdurchsuchung noch immer nicht sein Handy und sein Tablet zurückbekommen hat …

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