SPÖ-Neustart: Ein Zerren in alle Richtungen
Es sollte eine Präsidiumssitzung werden, bei der ein erster Schritt Richtung Neuanfang gemacht wird. Stattdessen wurde einer zum Bundesparteigeschäftsführer bestellt, der für viele in der SPÖ als Inbegriff des Parteiapparatschiks gilt – nämlich Christian Deutsch. Er managte den relativ erfolglosen Wahlkampf von Pamela Rendi-Wagner. Was folgte, war eine Welle der Empörung von in der Wolle gefärbten Roten. Politik-Berater Rudi Fußi entlud seine Wut in einem Video, wo er kein gutes Haar an der SPÖ und Rendi-Wagner ließ.
Doch in welche Richtung soll Rendi-Wagner gehen?
Eine Frage, die die Sozialdemokraten vor eine Zerreißprobe stellen könnte. Denn die Antworten auf die Frage der Erneuerung der Partei driften drei Tage nach dem Wahldebakel weit auseinander.
Während Länderchefs wie Peter Kaiser oder Hans Peter Doskozil die Zukunft in der Opposition sehen, will Tirols Georg Dornauer eine Regierungsbeteiligung. Während Rendi-Wagner auf das Know-how eines Urgesteins wie Deutsch setzt, wollen andere Parteispitzen, dass die Jungen aus der zweiten und dritten Reihe bei der Neuerfindung der Sozialdemokratie mitreden. Rendi-Wagner steht (noch) orientierungslos in der Mitte.
Die verschiedenen Strömungen im Überblick:
Programm als "Sterbebegleitung"
Für PR-Mann Rudi Fußi müsste die rote Neuaufstellung 15 bis 20 Jahre dauern. Der SP-nahe Kommunikationsexperte Rudi Fußi will nach seinem Wut-Video auf Facebook sanftere Töne anschlagen: "Die SPÖ ist nicht auf der Höhe der Zeit, weit weg von den Lebensrealitäten der Menschen, wir haben ein ambitionsloses Programm, das weder spannend noch zukunftsfähig ist, sondern nur die SPÖ sterbebegleitend verwaltet. Es braucht die totale Öffnung."
Klar sei, egal ob in einer Regierung oder in Opposition: "Wenn sich nicht Alles grundlegend ändert, sind wir dem Untergang geweiht, wie die Roten in Deutschland oder Frankreich.“
Am wichtigsten sei, dass sich die Partei Zeit nimmt und akzeptiert, dass dabei nicht an die nächste Wahl gedacht werden soll, sondern ein Neustart und eine Wiederaufstellung der Partei "15 bis 20 Jahre dauert". Solange brauche es nämlich, um Grundsatzfragen und -einstellungen der Bürger bei Themen wie Entsolidarisierung, Angriff auf den Sozialstaat oder den Leistungsbegriff neu zu definieren. Es gehe ja um das gute Leben für alle, wie man sich Wohlstand erarbeiten kann. Und mit den Jungen solle man sich nicht nur schmücken, sondern ihnen zuhören.
"Wofür steht die SPÖ?"
Ex-Ministerin Sonja Hammerschmid will Strategien für Zielgruppe. „In Wahrheit stehen wir vor Herausforderungen, die wir noch gar nicht abschätzen können, vom Klimawandel bis zur Künstlichen Intelligenz. Das sind neue Realitäten, den wir uns stellen müssen“, sagt Sonja Hammerschmid, Ex-Bildungsministerin und Vertraute von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.
Natürlich, räumt sie ein, hapere es auch bei der essentiellen Frage in der Bevölkerung: Wofür steht die SPÖ? "Und wir müssen uns besser strategisch überlegen, wer unsere Zielgruppe ist. Das sind jedenfalls alle, die es sich nicht selber richten können im Leben.“ Und zentral sei die Frage: "Was ist Arbeit, und wie können wir diese fair verteilen." Klar, dieser Prozess sei "sicher nicht in zwei Wochen erledigt".
"Rendi ist alternativlos"
SPÖ-NÖ-Chef Franz Schnabl fordert schnelle Reformen. Die ersten Schmerzen des desaströsen SPÖ-Wahlergebnis sind bei NÖ-SPÖ-Landeschef Franz Schnabl überwunden und auch die Zeit der Lippenbekenntnisse muss jetzt ein Ende haben. „Das wir uns erneuern müssen, haben wir in den vergangenen Jahren genügend gehört – und nichts ist passiert.“
Für ihn muss vor allem der Parteiapparat ganz neu aufgestellt werden, denn die Kampagnenfähigkeit der ÖVP sei um ein Vielfaches höher als bei der SPÖ. „Das hat man beim Wahlkampfauftakt in Tulln gesehen. Da wurden 5.000 mobilisiert, nur um eine Rede von Kurz zu sehen. Das würden wir derzeit nicht schaffen.“ Als Parteivorsitzende ist Pamela Rendi-Wagner allerdings alternativlos, betont er. „Weil mir keine andere einfällt, die ihr Potenzial hat.“
„Herr Lercher voran“
Georg Dornauer will, dass Junge eine Rolle spielen.
Tirols SPÖ-Landeschef Georg Dornauer ist für seine oft mehr als „urige“ Kritik bekannt. Er fordert eine Erneuerung der Partei, wo Positionen und Strukturen hinterfragt werden. Junge Experten müssen hier an Bord sein. „Wir haben in der zweiten und dritten Reihe spannende Mitglieder wie Julia Herr und Max Lercher.
Sie sollten vorangehen und gehören in den Prozess eingebunden, damit die Partei endlich im 21. Jahrhundert ankommt.“ Vor allem empfiehlt Dornauer, dass Pamela Rendi-Wagner in Sondierungsgespräche mit Sebastian Kurz gehen soll. „Wir sind immer noch die zweitstärkste Kraft im Land. Die Oppositionsrolle ist sehr schwierig für die SPÖ. Das können andere Parteien besser.“
„Kantige Opposition“
Inhalte sollten besser übersetzt werden, sagt Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser.
„Ich hoffe, es bleibt die historisch schlechteste Wahl für die SPÖ und es geht wieder aufwärts“, sagt Peter Kaiser, SPÖ-Landeschef und Landeskaiser in Kärnten.
Er gilt als moderate Stimme der Partei, nie eskalierend, einer der die Wogen glättet im Richtungsstreit. Und der die angeschlagene SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner jedenfalls unterstützt.
„Sie wird sich an die Spitze des von mir eingeforderten Erneuerungsprozesses setzen“, sagte Kaiser noch am Montagabend. Und er wünscht sich, dass man „Rendi-Wagner wieder sie selbst werden“ lässt und fordert, dass die SPÖ zu einer kantigen Oppositionspartei umgeformt wird und die Inhalte der Partei besser übersetzt werden. Der neuen Regierung werde man eher nicht angehören.
„Mehr Mitbestimmung“
Der Parteimanager Christian Deutsch gilt als Ludwig-Mann.
Keine radikalen Reformen zu erwarten sind von Christian Deutsch. Der neue Bundesgeschäftsführer managte den letztlich erfolglosen Wahlkampf: „Wir haben darin aber auf viele drängende Fragen Antworten gegeben, daran will ich anschließen“, betonte er bei seiner Vorstellung. Wir werden die Partei inhaltlich stärker ausrichten.“
Dazu gehöre die Frage, wie man die Wähler besser erreichen, die Partei öffnen und die Mitbestimmung verbessern könne. Der 57-jährige Wiener Gemeinderat ist ein enger Vertrauter von Bürgermeister Michael Ludwig. 2017 organisierte er für ihn den internen Wahlkampf um die Nachfolge von Michael Häupl. Davor war er – mit mäßigem Erfolg – Landesparteisekretär der Wiener SPÖ.
„Sagen, was ist“
Es gehe immer noch um sozialen Ausgleich, sagt Elisabeth Blanik.
Es könne nicht sein, dass irgendjemand in Österreich nicht wisse, wofür die SPÖ steht, sagt die Lienzer Bürgermeisterin und Ex-Landesparteichefin Elisabeth Blanik. „Wir stehen für die soziale Frage, für den sozialen Ausgleich, auch wenn das derzeit wenig en vogue ist. Auch daran müssen wir arbeiten: Sagen, was ist.“
Sie stört, dass das ganze politische Spektrum davon spreche, „den Ärmsten zu nehmen, anstatt dass jemand aufsteht und sagt: wir haben seit den 1990er-Jahren mehr als ein Drittel Reallohnverlust, und dagegen kämpfen wir mit einem höheren Mindestlohn.“
Zudem würde langsam allen klar, so die Tirolerin, „dass unsere Gletscher unwiederbringlich verloren sind durch die Klimakrise. Der Gedanke macht doch etwas mit uns“.