Politik/Inland

Sexuelle Übergriffe beim Heer: Tanner beruft mehr als 100 Kommandanten ein

Seit Freitag befasst sich auch die Staatsanwaltschaft St. Pölten mit jener Causa, die österreichweit für Schlagzeilen sorgt: Es geht um schwere Vorwürfe gegen Martin Jawurek, den Militärkommandanten von Niederösterreich. Wie berichtet, soll es in der Hesser-Kaserne in St. Pölten zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. Das mutmaßliche Opfer: eine Vertragsbedienstete. Der mutmaßliche Täter: der Chef selbst, Brigadier Martin Jawurek.

Der hochrangige Offizier bestreitet die Anschuldigungen. „Ich habe volles Vertrauen in die Gerichtsbarkeit. Es wird sich alles aufklären, denn ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen“, betont er. Im Militärkommando Niederösterreich selbst sitzt der Schock tief. „Es gibt im Moment kein anderes Gesprächsthema. Die Vorwürfe sind für uns alle sehr unangenehm. Man muss nun aber abwarten und sollte keinesfalls Vorverurteilungen treffen“, sagt ein Soldat. Tatsächlich prüft derzeit die Bundesdisziplinarbehörde die vorläufige Dienstenthebung des Brigadiers. Einen möglichen gerichtlichen strafbaren Tatbestand wird unterdessen die Staatsanwaltschaft St. Pölten abklären. Es geht um eine mögliche Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung.

Der Fall beschäftigt auch die Politik. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat für Montag alle Kommandanten des Bundesheeres einberufen. Bei dieser Kommandantenbesprechung, zu der mehr als hundert Kommandanten ab Bataillonsebene vorgeladen werden, sollen konkrete Maßnahmen besprochen werden, wie Fälle sexualisierter Gewalt künftig verhindert werden können. Um welche Maßnahmen es dabei gehen werde, ist nicht publik.

Voller Strafrahmen

Bereits am 19. Oktober verschärfte Tanner mittels Ministerweisung die Maßnahmensetzung und Berichtspflicht im Bereich des politischen oder religiös motivierten Extremismus und der sexuellen Belästigung im Bundesheer. Die Weisung besagt konkret, dass alle verantwortlichen Kommandanten und Leiter disziplinar- und strafrechtliche Vorfälle verfolgen müssen; dass im Disziplinarverfahren der ihnen gesetzlich ermöglichte „Strafrahmen in vollem Umfang“ ausgenutzt werden muss; und dass alle Vorfälle des politisch oder religiös motivierten Extremismus und der sexuellen Belästigung den Disziplinarstellen gemeldet werden müssen.

Die Grünen begrüßen die raschen Konsequenzen, bringen allerdings auch einen eigenen Vorschlag in die Debatte ein. „Es gibt zwar die parlamentarische Bundesheerkommission, die ist aber zu wenig. Außerdem sitzen da nur Männer drinnen“, sagt der Verteidigungssprecher der Grünen, David Stögmüller, zum KURIER. Sie fordern eine eigene anonyme und unabhängige Anlaufstelle und Opferberatung für jede Form der Gewalt – insbesondere der sexuellen Gewalt beim Bundesheer.

„Starke Hierarchien“

„Es verlangt von Betroffenen sehr großen Mut, sich an eine Vertrauensperson oder die Behörden zu wenden. Insbesondere dort, wo starke Hierarchien und ungleiche Machtverhältnisse herrschen, wie das im Bundesheer der Fall ist“, sagt die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Meri Disoski.