Sebastian Kurz: "Ich war von Anfang an das Feindbild der SPÖ"
Von Daniela Kittner
Es ist Tag 1 nach seiner Abwahl. Sebastian Kurz ist nicht mehr Bundeskanzler, er ist überhaupt kein Amtsträger zurzeit, nimmt auch sein Nationalratsmandat nicht an. Im Moment ist Kurz ÖVP-Obmann und arbeitet in der Wiener ÖVP-Zentrale.
Allerdings hat Kurz in der ÖVP noch kein eigenes Büro bezogen. „Ich werde ohnehin nicht im Büro, sondern sehr viel in Österreich unterwegs sein in den kommenden Monaten“, sagt Kurz. Interviews gibt er im Foyer der ÖVP-Zentrale. Und derer gab es am Dienstag viele.
Weder in der deutschen Bild, noch in heimischen Blättern gab der Alt-Kanzler eine klare Antwort darauf, ob er je wieder eine Koalition mit den Blauen wagen würde. Wie sich FPÖ entwickelt, würden die nächsten Monate und Jahre zeigen, meinte er da etwa.
KURIER: Herr Parteiobmann, wie war es am Montag auf der Regierungsbank im Parlament?
Sebastian Kurz: Um ehrlich zu sein, es war ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst eine höchst erfolgreiche Koalition, die gute Arbeit für das Land geleistet hat. Dann dieses Video und die ungenügende Reaktion der FPÖ, was die Zusammenarbeit gesprengt hat. Dann das unglaubliche Vertrauen der Bevölkerung bei der EU-Wahl mit dem besten ÖVP-Ergebnis aller Zeiten, und im Parlament die Ablehnung und die Aggressivität von FPÖ und SPÖ. Schließlich die 2.000 Unterstützer, die zur Politischen Akademie gekommen sind, um mir an diesem Abend den Rücken zu stärken. Das hat bei mir noch mehr Optimismus ausgelöst, den Weg der Veränderung weiterzugehen.
Gab es auch Phasen von Niedergeschlagenheit?
Ich war unglaublich zufrieden mit den Fortschritten der Regierungsarbeit, dem Kampf gegen illegale Migration, der Steuersenkung und dem Ende der Schuldenpolitik. Dann zu erleben, dass diese gute Zusammenarbeit durch Enthüllungen und durch die mangelnde Einsicht der FPÖ, dass Kickl nicht gegen sich selbst ermitteln kann, zerstört wird, das waren keine schönen Momente.
Sie sprechen von Ablehnung und Aggressivität seitens der SPÖ und der FPÖ. Sind Sie in sich gegangen, um zu erforschen, ob Sie dazu beigetragen haben, dass die Emotionen gegen Sie so hochgehen?
Ich weiß schon, warum das so ist. Wir haben 2017 die Nationalratswahl gewonnen. In Österreich hat es so etwas wie eine Erbpacht der Sozialdemokratie auf das Kanzleramt gegeben. Daher war ich von Anfang an das Feindbild. Darüber hinaus ist es immer so, wenn man etwas am Status quo verändern will, macht man sich Feinde. Ich bin aber in der Politik, um etwas zu tun, nicht um etwas zu sein.
Danke für das Stichwort. Was werden Sie als Nächstes tun?
Jetzt werden wir alles tun, um in der Übergangsphase behilflich zu sein und den Bundespräsidenten bei der ordentlichen Übergabe zu unterstützen. Und ich werde viel in Österreich unterwegs sein und für die Fortsetzung meines Kurses werben.
Apropos unterstützen. Hartwig Löger ist jetzt an Ihrer Stelle in Brüssel und verhandelt über die Aufstellung der EU für die nächsten fünf Jahre. Welchen Auftrag haben Sie ihm mitgegeben?
In dieser Phase mit einer Übergangsregierung ist unser Gewicht in Brüssel beschränkt. Zuletzt habe ich mit Macron und Merkel, mit Rutte und Bettel telefoniert. Ich werde unterstützend tätig sein, damit Österreich am Ende nicht mit einem vergleichsweise unbedeutenden Kommissarsposten übrig bleibt. Ich setze mich für ein gewichtiges Ressort ein.
Wie haben Merkel und Macron reagiert? Wie haben Sie sich von Ihnen verabschiedet? „Auf bald?“
Wir haben vereinbart, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten in engem Kontakt bleiben. Sie waren über die Entwicklungen in Österreich etwas überrascht, aber sie sind Profis und wissen, wie es in der Politik zugehen kann.
Im Nationalrat liegen noch einige Regierungsvorhaben. Was davon soll bis zur Wahl noch beschlossen werden?
Ich hoffe, dass im Parlament keine Casino-Mentalität um sich greift. Das haben wir 2008 erleben müssen, und das hat uns auf Jahre hinaus finanziell beschäftigt. Wir haben 2018 erstmals einen Budgetüberschuss geschafft, und ich möchte nicht, dass dieser Kurs stabiler Staatsfinanzen verlassen wird. Von den Regierungsvorhaben würde ich gern noch so viele Projekte wie möglich umsetzen. Das ist aber Sache des Parlaments. Alles, was nicht weiter umgesetzt wird, werde ich nach der Wahl fortführen: Stopp der illegalen Migration. Ende der Schuldenpolitik. Entlastung der Steuerzahler und notwendige Reformen zur Stärkung von Wirtschaftsstandort und Wettbewerbsfähigkeit.
Dem Vernehmen nach sollen die ÖVP-Listen mit den Nationalratskandidaten bleiben, wie sie sind. Sie wollen an Ihrem Team, wie es ist, festhalten?
Wir werden das erst verkünden, wenn es beschlossen ist. Aber es stimmt, wir haben ein sehr gutes Team, es gibt keinen Grund, groß daran etwas zu ändern.
Gehört auch Josef Moser dazu? An ihm hat es ja Kritik gegeben, dass er zu wenige Reformen anpacke.
Auch Josef Moser ist Mitglied meines Teams.
Als Konsequenz aus dem Ibiza-Video wird ein schärferes Parteiengesetz gefordert mit strafrechtlichen Sanktionen für das Verletzen der Transparenzregeln. Sind Sie dafür?
Das unterstütze ich voll und ganz. Wir haben immer einen transparenten Weg gewählt, es sind die Sozialdemokraten und die FPÖ, die offenbar auf dubiose Vereine setzen, wie ja auch das Video gezeigt hat. Darüber hinaus trete ich für eine Senkung der öffentlichen Parteienfinanzierung ein, Österreich hat eine der höchsten weltweit.
Neos fordern von Ihnen die Offenlegung Ihrer 13 Millionen Wahlkampfausgaben von 2017. Werden Sie das tun?
Man muss die Einnahmen der Partei offenlegen. Die Ausgaben muss man nur dem Rechnungshof bekannt geben.