Politik/Inland

PISA: Ergebnisse nach wie vor schlecht

"Inakzeptabel" nennt Bildungsministerin Sonja Hammerschmid die Ergebnisse der PISA-Auswertung für Österreich. Nach kleinen Zugewinnen bei der letzten Studie vor drei Jahren gab es diesmal wieder bittere Verluste.

Im Haupttestgebiet Naturwissenschaften kommen die 15- bis 16-jährigen österreichischen Schüler auf einen Wert knapp über dem OECD-Schnitt, aber deutlich hinter dem Ergebnis von 2012. Deutlich unter dem OECD-Schnitt ist das Ergebnis beim Lesen, wo Österreich schon traditionell schwach ist. Ein kleiner Lichtblick bieten die Ergebnisse bei Mathematik, wo Österreichs Schüler leicht über dem OECD-Schnitt abschnitten.

Insgesamt aber heißt das: Fast jeder dritte getestete Schüler in Österreich gilt als "Risikoschüler" in zumindest einem Testgebiet (Lesen, Mathe, Naturwissenschaften). Sie weisen demnach "gravierende Mängel" auf.

Damit nicht genug, hat Österreich unter allen OECD-Staaten (also auch Türkei oder Mexiko) das größte Problem beim "Gendergap", gemeint ist der Unterschied der Leistungen von Burschen und Mädchen.

Und noch ein schwer verdauliches Ergebnis: Bildungsarmut, die in Familien mit Migrationshintergrund groß ist, wird nach wie vor vererbt. Der Abstand zwischen Schülern ohne Migrationshintergrund und Migranten ist in den Naturwissenschaften groß, wenn auch unverändert über die Jahre, im Lesen ist der Unterschied aber größer geworden. Damit gehört Österreich im OECD-Schnitt zu den Ländern mit den größten Leistungsnachteilen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Auf der anderen Seite schneiden Kinder höher gebildeter Eltern wesentlich besser ab als Kinder von Eltern mit Pflichtschulabschluss. Das entspricht einem Defizit von etwas mehr als zwei Lernjahren.

Die Bildungsministerin, seit Mai 2016 im Amt, findet klare Worte: "Das ist insgesamt kein zufriedenstellendes Ergebnis", sagt Hammerschmid. "Wir müssen ein Schulsystem schaffen, das die Schüler individuell fördern kann (...)" (siehe auch Interview und Statements früherer Bildungsministerinnen zu den PISA-Ergebnissen).

Hammerschmid sieht im Ergebnis einen Auftrag, ihre begonnene Reform rasch umzusetzen. Das betrifft einerseits den Ausbau der Ganztagsschule, andererseits die Schulautonomie, die derzeit mit der ÖVP verhandelt wird.

Heftig fiel die Kritik der Opposition aus. "Seit 16 Jahren das gleiche Elend", konstatiert Neos-Chef Matthias Strolz. "Die Regierung redet und bringt nichts auf den Weg." Oder der grüne Bildungssprecher Harald Walser: "Lösungen liegen auf dem Tisch, statt Fortschritten gibt es aber nur Ankündigungen und kosmetische Eingriffe. Diese Zögerlichkeit der Regierung ist verantwortungslos."

Für den KURIER analysiert Bildungsforscher Stefan Hopmann: "Seit 15 Jahren ist Österreich stabil im Mittelfeld. Man versucht mit immer den gleichen Maßnahmen den Sprung an die Spitze, doch die Ergebnisse bleiben gleich. Da sollten sich die Verantwortlichen einmal überlegen, ob man im richtigen Feld unterwegs ist. Ganztagsschule und Diagnose in der Volksschule, wie sie die Ministerin jetzt vorschlägt, bringen nur wenig. Vernünftiger wäre es, wenn wir gezielt etwas für die Risikogruppen tun würden. 16 bis 25 Prozent verlassen die Schule ohne die Aussicht, später Anteil an der Gesellschaft und der Arbeitswelt haben zu können. Und das bei einer Bevölkerung, die immer älter wird."

KURIER: Sie finden die PISA-Ergebnisse "nicht akzeptabel". Welche Konsequenzen gibt es?

Sonja Hammerschmid:Unser Anspruch kann ja nicht sein, zum Durchschnitt zu gehören, sondern zur Spitze. Wir sind ein Land ohne Rohstoffe, das heißt, unser Potenzial für die Zukunft ist in den klugen Köpfen. Diese müssen wir wirklich auszuschöpfen – für die persönliche Entwicklung, aber auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern auch als Gesellschaft.

Andererseits sind seit zehn Jahren Sozialdemokratinnen im Bildungsministerium verantwortlich. Die haben das auch alles nach den PISA-Tests gesagt. Wo sind wir gescheitert?

Ich bin für die Zukunft zuständig. Aber ja, wir müssen Maßnahmen endlich umsetzen, das Autonomiepaket fertig verhandeln, bei den Ganztagsschulen vorankommen. Und wir treffen eine Reihe von Sofortmaßnahmen.

Welche Sofortmaßnahmen?

Überall die Schwächen erkennen und die Kinder fördern. Das ist das Gebot der Stunde. Konkret heißt das, etwa beim Thema Lesen/Sprachkenntnis den Lehrern Diagnosewerkzeug in die Hand geben, damit sie jederzeit feststellen können, ob die Kinder in ihrer Klasse die Kompetenzen, die sie haben sollen, erreichen. Und daraus Fördermaßnahmen ableiten. Der individualisierte Unterricht ist das Gebot der Stunde.

Brauchen Sie da mehr Möglichkeiten, mehr Ressourcen?

Die Maßnahmen liegen am Tisch und legen vieles offen, den Schulalltag anders und neu zu gestalten. Die Pädagogen wissen selber sehr genau, was zu tun ist, davon bin ich überzeugt. Sie brauchen nur die Handlungsspielräume.

Bedenklich ist, dass wir beim Leistungsunterschied Buben/ Mädchen als auch bei den Ergebnissen der Migranten negative OECD-Spitzenreiter sind. Beharren Sie auf einen Sozialindex?

Ja, der Chancenindex ist im Entwurf verankert, aber es wird noch verhandelt. Zwischen 2 und 5 Prozent der Mittel sollen damit zu den sozial schlechter gestellten Schulen verschoben werden. Und das Genderthema müssen wir schon in der Lehrerausbildung adressieren, und anders unterrichten. Was für mich noch wichtiger ist: Alle Spitzenreiter haben Schulautonomie – und überwiegend ganztägige Schulformen.