Politik/Inland

Parlament neu eröffnet: Politiker versprechen besseren Stil und mehr Respekt

Mit einem großen Festakt im Bundesversammlungssaal wurde das generalsanierte Parlamentsgebäude eröffnet. Neben den Spitzen der heimischen Politik, allen voran Bundespräsident Alexander Van der Bellen, waren zahlreiche Ehrengäste aus dem In- und Ausland in das geschichtsträchtige Haus an der Wiener Ringstraße geladen, das nach fünf Jahren umfassenden Renovierungsarbeiten im neuen Glanz erstrahlt.

Mit den Worten „Wir sind wieder daheim! Das Hohe Haus hat uns wieder. Und wir haben unser Haus wieder.“ verlieh Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka seiner großen Freude und Dankbarkeit Ausdruck. Er wünschte sich, dass sich alle von der Wirkung des Hauses im politischen Agieren leiten und begleiten lassen. Es sei notwendiger denn je, dass „unser Denken, Reden und Handeln von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt“ werde. Da der Beginn des Bauvorhabens im Geiste des Miteinanders stand, sei zu hoffen, dass dieser Geist nachwirke und zu einem respektvollen Diskurs in diesem Haus beitragen werde, meinte auch Bundesratspräsident Günter Kovacs.

Einen kritischen Rückblick auf die politischen Entwicklungen in den letzten Jahren machte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Daraus müsse man lernen und eine „grundlegende Sanierung des Vertrauens in die Demokratie“ in die Wege leiten. Gerade an einem Tag wie heute soll zudem nicht vergessen werden, dass es im Hohen Haus um das aufmerksame Zuhören gehe, sowie um den Versuch, die Welt auch aus den Augen des Anderen zu sehen, mahnte Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer ein.

Nach der Festrede des ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble war noch ein Gespräch mit den Klubvorsitzenden aller Parlamentsfraktionen angesetzt. Die Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und erstmals auch die Wiener Chormädchen sorgten für die festliche musikalische Umrahmung.

Bevor das Parlament am 16. Jänner 2023 wieder seinen regulären Betrieb aufnimmt, haben die Bürger:innen bereits am Wochenende im Rahmen von zwei Tagen der offenen Tür die Möglichkeit, das rundum erneuerte Hohe Haus selbst zu erkunden.

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Sobotka: "Neue Ära des Parlamentarismus"

Mit dem Zitat von Albert Schweitzer „Erst bauen die Menschen Häuser und dann die Häuser den Menschen“ leitete Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka seine Rede beim heutigen Festakt ein. Damit verbinde er nämlich den Wunsch und die Aufforderung, sich von der Würde des Hohen Hauses und der neuen Architektur, die Sachlichkeit und Respekt vor dem historischen Bestand vermittle, inspirieren zu lassen. Es erfülle ihn mit großer Freude und vor allem Dankbarkeit gegenüber all jenen, die mitgeholfen haben, dieses Jahrhundertvorhaben zu realisieren. Nachdem das Gebäude 1883 nach Plänen von Theophil Hansen errichtet wurde, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und dann wieder aufgebaut wurde, beginne nun die dritte Ära seiner baulichen Geschichte.

In seinen umfassenden Dankesworten hob Sobotka seine Amtsvorgängerin Barbara Prammer besonders hervor, die die Entscheidung zur Renovierung vorangetrieben habe. Diese sei dann von der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures beherzt umgesetzt worden. Den Architekten Andras Palffy und Christian Jabornegg sei es auf geniale Weise gelungen, hohe Sensibilität und architektonisches Selbstbewusstsein an den Tag zu legen. Sie und ganz viele andere Beteiligte hätten im Geiste des Miteinanders die Eröffnung des Hauses möglich gemacht, betonte Sobotka.

Bures: "Sanierung des Vertrauens in Demokratie"

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures sagte, die letzten fünf Jahre stünden auch für Brüche, politischen Aufprall und heftige Schocks. In der Innenpolitik sei oft mit Angstparolen hantiert worden, es seien Hoffnungen geweckt und enttäuscht worden, was zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust geführt habe. Nach der Sanierung des Parlamentsgebäudes müsse es jetzt umso mehr um die „Sanierung des Vertrauens in die Demokratie und ihrer Institutionen gehen“, war Bures überzeugt.

Im neuen Parlament sollte dies mit Aufrichtigkeit und Mut zu einer offenen Fehlerkultur angegangen werden, sprach sie sich für mehr Empathie und Respekt sowie die Achtung der Meinungsvielfalt aus. Schließlich dankte die Zweite Nationalratspräsidentin den geladenen Lehrlingen, die im Zuge ihrer Ausbildung an der Sanierung des Parlamentsgebäudes mitgearbeitet haben.

Hofer: "Gesamtwohl muss im Vordergrund stehen"

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer sprach davon, das Parlament nicht nur als Ort der Demokratie, sondern auch als „Kern des Diskurses“ neu zu eröffnen. Der heutige Tag sei für ihn eine gute Gelegenheit, in Erinnerung zu rufen, warum man sich für die „res publica“ engagiere. Die Motivation für die politische Tätigkeit sei tiefe innere Überzeugung, einen Beitrag für eine gedeihliche Gegenwart und Zukunft zu leisten. Wer sein Engagement an anderen Gründen festmache, werde auf Dauer keine Freude an dem Beruf haben, so Hofer. Er selbst sei 1991 als neuer Bewohner Wiens vor dem Parlament gestanden und habe sich gedacht, welche Ehre es sein müsse, hier wirken zu dürfen.

In einer Zeit der „Ausgrenzung Andersdenkender“ möchte er daran erinnern, dass es im hohen Haus um das aufmerksame Zuhören gehe, sowie um den Versuch, die Welt auch aus den Augen des Anderen zu sehen, ohne ihre Meinung teilen zu müssen. Das Parlament sei ein Raum der unterschiedlichen Meinungen, ein Ort der Diskussion und ein Ort, an dem am Ende eines Entscheidungsprozesses das Gesamtwohl im Vordergrund zu stehen habe. Dieses Gesamtwohl sei weder automatisch die Grundlinie der Regierungsparteien, noch die Meinung der Opposition. Vielmehr entspringe es aus der lebhaften Diskussion. In diesem Sinne hofft der Dritte Präsident des Nationalrats auf gute Zusammenarbeit im renovierten Haus.

Ein Programmpunkt war eine Diskussionsrunde mit den Klubobleuten (der erkrankte Herbert Kickl wurde vertreten). Alle versprechen einen besseren Stil und mehr Respekt im Umgang mit Andersdenkenden. Allerdings wurde auch betont, dass emotionale Debatten zum Parlamentarismus dazu gehören, und dass man diese nicht als "Streit" denunzieren sollte.

Schäuble-Rede irritierte bei Rot und Grün

Festredner war der deutsche CDU-Politiker Wolfgang Schäuble. Er beschäftigte sich mit dem Wesen der repräsentativen Demokratie und deren neue Herausforderungen durch die sozialen Medien. Seine Rede führte in den Rängen von Rot und Grün zu Irritationen. Der KURIER veröffentlicht sie im Wortlaut.