Österreichs Luftabwehr könnte die russischen Geschoße nicht abfangen
Von Daniela Kittner
Russland hat nach Angaben des Pentagon seit Kriegsbeginn mehr als 1.400 ballistische Raketen und Marschflugkörper auf die Ukraine abgefeuert. Die österreichische Luftabwehr wären nicht in der Lage, derartige ballistische Raketen oder Marschflugkörper abzuwehren. „Das österreichische System mit 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanonen der bodengebundenen Luftabwehrtruppe kann einen Marschflugkörper im Endanflug (bis 3.000 Meter vor dem Ziel) zwar bekämpfen, wenn das Radar das Ziel erkennt. Ein Vernichten des Marschflugkörpers ist aber unwahrscheinlich. Eine ballistische Rakete kann nicht abgewehrt werden“, erklärt Oberst Thomas Golda, der das Institut Fliegerabwehr an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule des Bundesheeres in Langenlebarn leitet.
Patriot-System wäre tauglich
In der Ukraine eingesetzte ballistische Raketen sind zum Beispiel die OTR-21 „Tochka“. „Da sie nahezu senkrecht auf ihr Ziel zufliegen sind sie von Radarsensoren schwer zu erfassen und von Waffensystemen schwer zu bekämpfen. Solche Waffensysteme zur Bekämpfung sind etwa das 'Patriot'-System der USA oder das S-300-System aus russischer Fertigung“, schreibt Golda auf bundesheer.at
Ballistische Raketen werden von Land aus abgefeuert. Sie werden in einem Entfernungsbereich von unter hundert Kilometern bis mehrere tausend Kilometer eingesetzt. Beim Einsatz auf größere Entfernungen verlassen sie die Erdatmosphäre. Sie werden nur in der Startphase angetrieben und gehen danach in einen ballistischen Flug über. Im Endanflug erreichen sie mehrfache Schallgeschwindigkeit. Konventionelle ballistische Raketen wirken durch hohe Sprengkraft, Druck und Hitze. Es handelt sich dabei um Flächenwaffen, die in einem größeren Zielgebiet einschlagen, und keine Präzisionswaffen.
Marschflugkörper können von Schiffen, U-Booten, Flugzeugen oder von Land aus abgefeuert werden. Die im Krieg bisher eingesetzten Marschflugkörper werden auf Entfernungen von bis zu knapp unter 1.000 Kilometer eingesetzt. Dazu zählen etwa die 3M „Kalibr“. Sie werden den gesamten Flug über von einem Raketenmotor angetrieben. Marschflugkörper fliegen im Regelfall im Unterschallbereich und sehr tief (dem Gelände angepasst). Dieser Tiefflug erschwert die Erfassung und Bekämpfung, erklärt Golda.
Im Gegensatz zu ballistischen Raketen zählen Marschflugkörper zu den Präzisionswaffen, die ihr Ziel punktgenau treffen sollen.
Luftabwehr vernachlässigt
Die Luftabwehr wurde in Österreich offenkundig vernachlässigt wurde, ist aber von großer Bedeutung im Falle der militärischen Landesverteidigung. Das zeigen die Kampfhandlungen in der Ukraine ganz deutlich.
„Luftüberlegenheit ist der entscheidende Faktor in diesem Krieg“, schreiben die ukrainischen Luftstreitkräfte auf Twitter. „Die Luftüberlegenheit hat in allen Kriegen seit dem Zweiten Weltkrieg eine Schlüsselrolle gespielt. Die Dominanz in der Luft ermöglicht es einem Kämpfer, die Bodentruppen, Versorgungsketten und andere wichtige militärische Objekte des Feindes schnell und effektiv anzugreifen. Die Luftüberlegenheit bietet auch einen starken Schutz für die eigenen Boden- und Seestreitkräfte.“
Luftraum entscheidend
Das bestätigt auch Brigadier Reinhard Kraft, Kommandant der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule des Bundesheeres. „Die wichtigste Aufgabe in einem Konflikt ist zunächst, die Luftstreitkräfte des Gegners zu bekämpfen. Dabei wird versucht, die Luftüberlegenheit zu erringen und diese dann bis zur völligen Lufthoheit auszubauen. Bekämpft werden Kampfflugzeuge, Fliegerabwehrwaffen, Kommunikationseinrichtungen, Radargeräte, Munitionslager, Fliegerwerften, Flugplätze und Führungszentralen“, schreibt Kraft in einem Beitrag auf der Homepage des Bundesheeres.
Unterstützung für Bodentruppen
„Ist die Überlegenheit in der Luft hergestellt, beginnen die Luftstreitkräfte damit, die Truppen am Boden zu unterstützen. Dies geschieht durch Angriffe aus der Luft, durch Luftaufklärung, elektronische Kampfführung oder auch durch Lufttransporte, mit denen Truppen schnell an einen neuen Ort gebracht werden“, so Kraft. „Der Aufruf der Ukraine, den Luftraum zu sperren und weitere Luftabwehr-Raketen oder Kampfflugzeuge zu liefern, zeigt, wie wichtig Luftstreitkräfte sind. Sie können zwar alleine keine Kriege gewinnen, mit ihren vielen Fähigkeiten sind sie in der modernen Kriegsführung aber unverzichtbar.“
Bodengestützte Luftverteidigung und Kampfflieger
„Die ukrainische Luftwaffe kann aufgrund einer großen Diskrepanz in Ausrüstung und Technologien den Himmel nicht schließen oder Luftüberlegenheit erlangen“, schreiben die ukrainischen Militärs auf Twitter. Zwischen den russischen und den ukrainischen Luftstreitkräften gebe es ein „großes Ungleichgewicht“. „Im vergangenen Monat hat unsere Luftwaffe Verluste erlitten. Eine erfolgreiche Verteidigung in der Luft (unter anderem gegen Marschflugkörper) erfordert Kampfflugzeuge sowie bodengestützte Luftverteidigungssysteme mittlerer und langer Reichweite“, schreiben die ukrainischen Luftstreitkräfte.